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Noch in derselben Nacht schrieb Klara, die keinen Schlaf fand, an Hedwig: »Sie, liebes Mädchen, Schwester meines Kaspars, ich muß Ihnen schreiben. Ich kann nicht schlafen, finde keine Ruhe. Ich sitze hier, halb ausgezogen, vor meinem Schreibtisch, und bin gezwungen, so hin und her zu träumen. Es deucht mich, daß ich an alle Menschen Briefe schreiben könnte, an jeden beliebigen Unbekannten, an jedes Herz; denn alle Menschenherzen zittern für mich vor Wärme. Heute, als Sie mir die Hand reichten, sahen Sie mich so lange an, fragend, und mit einer gewissen Strenge, als wüßten Sie bereits, wie es mit mir steht, als fänden Sie, daß es schlimm mit mir stehe. Sollte es in Ihren Augen schlimm mit mir stehen? Nein, ich glaube nicht, daß Sie mich verdammen, wenn Sie alles wissen werden. Sie sind so ein Mädchen, vor dem man keine Geheimnisse haben mag, dem man alles sagen will, und ich will Ihnen alles sagen, damit Sie alles wissen, damit Sie mich lieben können; denn Sie werden mich lieb haben, wenn Sie mich kennen, und ich begehre darnach, von Ihnen geliebt zu werden. Ich träume davon, alle schönen und klugen Mädchen um mich geschart zu sehen, als Freundinnen und Beraterinnen und auch als meine Schülerinnen. Sie wollen, hat mir Kaspar gesagt, Lehrerin werden und sich der Erziehung der kleinen Kinder opfern. Ich möchte auch Lehrerin werden, denn Frauen sind zu Erzieherinnen wie geboren. Sie wollen etwas werden, wollen etwas sein: das paßt zu Ihnen, das entspricht dem Bilde, das ich mir von Ihnen mache. Er entspricht auch der Zeit, in der wir leben, und der Welt, die ein Kind dieser Zeit ist. Das ist schön von Ihnen, und wenn ich ein Kind hätte, würde ich es zu Ihnen in die Schule schicken, würde es ganz Ihnen überlassen, so daß es sich daran gewöhnen müßte, Sie als eine Mutter zu verehren und zu lieben. Wie werden die Kinder zu Ihnen emporblicken, um zu sehen, an Ihren Augen, ob Sie strenge blicken oder gütig. Wie werden sie jammern in ihren kleinen, blühenden Herzen, wenn sie Sie mit Sorgen im Gesicht in die Stunde kommen sehen; denn Kindern ist Ihre Seele verständlich. Sie werden nicht lange mit unartigen Kindern zu tun haben; denn ich denke mir, selbst die unartigsten und verzogensten unter ihnen werden sich in kurzer Zeit ihrer Unarten vor Ihnen schämen und es bereuen, Ihnen Schmerz eingeflößt zu haben. Ihnen gehorchen, Hedwig, wie muß das süß sein. Ich möchte Ihnen gehorchen, möchte ein Kind werden und die Lust empfinden, Ihnen folgsam sein zu dürfen. Sie wollen in ein kleines, stilles Dorf ziehen! Um so schöner. Dann werden Sie Dorfkinder zu unterrichten haben, die noch besser zu erziehen sind als die Kinder der Städte. Aber Sie würden auch in der Stadt Erfolge erzielen. Sie sehnen sich nach dem Lande, nach den niederen Häusern, nach den Gärtchen vor den Häusern, nach den Menschengesichtern, die man dort sieht, nach dem Fluß, der vorbeirauscht, nach dem einsamen, entzückenden Seeufer, nach den Pflanzen, die man im stillen Walde sucht und findet, nach den Tieren auf dem Lande, nach der Welt auf dem Lande. Sie werden alles finden; denn Sie passen dahin. Man paßt dahin, wohin man sich sehnt. Gewiß finden Sie dort eines Tages die Antwort auf die Frage, wie man es zu machen habe, daß man glücklich sei. Sie sind jetzt schon glücklich, und ich fühle wohl, wie gern ich Ihre Munterkeit besitzen möchte. Wenn man Sie sieht, möchte man glauben, daß man Sie schon längst gekannt hätte und daß man auch wüßte, wie Ihre Mutter aussieht. Andere Mädchen findet man hübsch, ja schön, aber von Ihnen möchte man gekannt und geliebt sein, sowie man Sie nur ansieht. Sie haben etwas Lockendes, beinahe Großmütterliches in Ihrem jungen, hellen Gesicht; vielleicht ist das das Ländliche, was Sie an sich haben. Ihre Mutter war Bäuerin? Sie muß eine schöne, liebe Bäuerin gewesen sein. Sie hat viel gelitten in der Stadt, sagte mir einmal Kaspar; das glaube ich; denn ich meine sie vor mir sehen zu sollen, diese Ihre Mutter. Sie soll sich stolz betragen haben und darunter gelitten haben. Freilich; denn in der Stadt darf sich ein Mensch nicht so stolz betragen wie auf dem Lande, wo sich eine Frau leicht als freie Herrin vorkommt. Ich möchte Ihnen ein bißchen damit gefallen daß ich von Ihrer Mutter spreche, die Sie, als die Arme gebrochen und krank war, gepflegt und besorgt haben. Ich habe auch ein Bild Ihrer Mutter gesehen und verehre und liebe sie, wenn Sie mir erlauben, das zu tun. Mit Ihrer Erlaubnis würde ich es dann noch viel inniger tun. Könnte ich sie sehen, könnte ich ihr zu Füßen fallen und ihre Hand nehmen und meine Lippen darauf pressen. Wie wohl würde mir das tun. Es gliche einem einstweiligen, teilweisen, armen Schuldenbezahlen; denn ich bin ihre Schuldnerin und auch Ihre, Hedwig. Ihr Bruder Kaspar wird oft lieblos und rauh zu Ihnen gewesen sein; denn junge Männer müssen oft hart zu denen sein, von denen sie am meisten geliebt werden, um sich eine Bahn in die offene Welt zu brechen. Ich begreife, daß ein Künstler oft Liebe als etwas ihn Hemmendes abschütteln muß. Sie haben ihn als ganz jung gesehen, als einen Schulknaben, der zur Schule gegangen ist, haben ihm seine Unarten vorgehalten, haben sich mit ihm gestritten, haben ihn bemitleidet und beneidet, beschützt und gewarnt, ausgescholten und gelobt, haben mit ihm seine ersten, erwachenden Empfindungen geteilt und ihm gesagt, daß es schön sei, Empfindungen zu hegen; haben sich von ihm zurückgezogen, als Sie merkten, daß er anderes, als Sie, im Sinne trug; haben ihn gehen und machen lassen und gehofft, daß er gedeihen möchte und nicht fallen möchte. Sie sehnten sich, als er fort war, nach ihm und flogen ihm an den Hals, als er eines Tages zurückkehrte, und fingen auch schon wieder an, ihn in Ihre Obhut zu nehmen; denn er ist solch ein Mensch, daß er der Obhut zu bedürfen, beständig zu bedürfen scheint. Ich danke Ihnen. Ich habe nicht Atem genug, nicht Herz genug und kein Wort, um Ihnen zu danken. Und ich weiß nicht, ob ich Ihnen danken darf. Vielleicht wollen Sie nichts von mir wissen. Ich bin eine Sünderin, aber vielleicht verdienen Sünderinnen, daß man ihnen gestattet, zu lernen, was man zu tun hat, um demütig zu erscheinen. Ich bin demütig, nicht geknickt, nicht etwa gebrochen, aber voll flammender, bittender, flehender Demut. Ich will mit Demut gut machen, was ich mit Liebe verbrochen habe. Wenn Sie Wert darauf legen, eine Schwester zu haben, die froh ist, Ihre Schwester zu sein, so gehorche ich Ihnen. Wissen Sie, was Ihr Bruder Simon mir gegeben hat? Sich selbst hat er mir geschenkt, er hat sich weggeworfen an mich, und ich möchte mich wegwerfen an Sie. Aber, Hedwig, wegwerfen kann man sich an Sie nicht. Das hieße ja: Ihnen wenig geben zu wollen. Doch ich bin viel, seit ich Kaspar umarmt habe. Ich fange an, mich zu brüsten und stolz reden, das will ich nicht. Ich will jetzt versuchen, ob ich schlafen kann. Der Wald schläft ja auch, warum müssen Menschen nicht schlafen können. Doch ich weiß, daß ich jetzt schlafen kannWährend die Frau den Brief schrieb, saßen Simon und Kaspar bei der Lampe, die sie angezündet hatten. Sie hatten noch keine Lust, sich zu Bett zu legen und sprachen noch miteinander. Kaspar sagte: »Seit den letzten Tagen male ich überhaupt nicht mehr, und ich werde, wenn das so weiter geht, meine ganze Kunst an den Nagel hängen und Bauer werden. Warum nicht? Muß es denn gerade die Kunst sein? Könnte man denn nicht anders leben? Vielleicht ist es nur eine Angewohnheit, daß man sich einbildet, um alles willen künstlerisch zu arbeiten. Ja, vielleicht nach zehn Jahren wieder damit beginnen! Man würde alles anders ansehen, viel einfacher, viel weniger phantastisch, und das könnte nicht schaden. Man müßte den Mut und das Vertrauen besitzen. Das Leben ist kurz, wenn man mißtraut, aber lang, wenn man vertraut. Was kann einem entgehen? Ich fühle, daß ich von Tag zu Tag träger werde. Sollte ich mich da aufraffen und wie ein Schulbub mich zwingen, meine Pflicht zu erfüllen? Habe ich der Kunst gegenüber irgend eine Pflicht zu erfüllen? Das ließe sich so oder so umwenden, man könnte es drehen, wie es einem gerade behagte. Bilder malen! Das kommt mir jetzt so stupide vor, ist mir so gleichgültig. Man muß sich gehen lassen. Ob ich hundert Landschaften male oder zwei, ist das nicht ganz gleichgültig? Es kann einer immer malen und bleibt doch ein Stümper, dem es nie einfällt, seinen Bildern einen Hauch von seinen Erfahrungen einzugeben, weil er keine Erfahrungen gemacht hat, so lange er lebte. Wenn ich erfahrener sein werde, werde ich auch den Pinsel geistvoller und gedankenvoller führen, und dieses ist mir nicht gleichgültig. Was kommt's auf die Anzahl an. Und trotzdem: irgend ein Gefühl sagt mir, daß es nicht gut ist, auch nur einen Tag lang außer Übung zu bleiben. Das ist die Faulheit, die verdammte Faulheit

Es geschah, weil man sie alsdann um desto eher loszuwerden hoffte, und es war merkwürdig genug, die beiden Sünderinnen zu den Füßen der Heiligen zu sehen.

ZU DREI: Die du großen Sünderinnen Deine Nähe nicht verweigerst Und ein büßendes Gewinnen In die Ewigkeiten steigerst, Gönn auch dieser guten Seele, Die sich einmal nur vergessen, Die nicht ahnte, daß sie fehlte, Dein Verzeihen angemessen! UNA POENITENTIUM, SONST GRETCHEN GENANNT: Neige, neige, Du Ohnegleiche, Du Strahlenreiche, Dein Antlitz gnädig meinem Glück!

Fast mit Schaudern sprach man von den grausamen Mitteln, welche die frommen Damen anwenden, um ihre wilden Zöglinge zu zähmen, die Dunkelzelle, das genagelte Scheit, auf das die Sünderinnen so und so viel Stunden knieen müßten, den Hunger, das Nichtschlafenlassen, das Bespritzen mit kaltem Wasser. Um so mehr erregte der Aufenthalt Binias an diesem Ort Aufsehen in St.

Vielleicht wird der höchste Richter, der gnadenreicher ist als die Menschen, diese beiden Ursachen als Entschuldigung gelten lassen und den Sünderinnen verzeihen, die viel geliebt und viel gelitten haben. Ein Doktor, der sich für das Studium der sozialen Fragen sehr interessierte, zeigte mir eine interessante Statistik über diesen Gegenstand.

Fourier sieht aber nicht blos sein System an und für sich durch die Aussprüche Jesu als sicher in Aussicht gestellt, er findet sogar einige seiner Haupttheorien durch sie gerechtfertigt, so die Anerkennung der Gourmandise und die Nachsicht gegen die armen Sünderinnen, die unter der Herrschaft der Zivilisation ihrem Liebes- und Lebenstrieb nur in der Form der Prostitution Rechnung zu tragen vermögen.