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Aktualisiert: 23. Mai 2025


Immer den Weg finden aus Zeit und Unzeit zur ewigen Prägung des Fürstworts. Feurig sein gegen das Gesinnungslose, kühl gegen Anmaßung. Fehler bekennen. Immer Linie halten. Nie den großen Dichter um Kleinigkeiten tadeln, während den Nebbich man laufen läßt als das, was er ist. Vielmehr auf das Wichtige sehen. In jahrelanger Arbeit nie den Lesenden verwirren, sondern ihn erziehen.

»Eppes hat mir heint geträumt« sagte die Großmutter, an so unvermittelte Übergänge mußte man sich hier gewöhnen »Sie können auch zuhören, Frau Lichtneggern, von dei seligen Lehrer Schmidt, nebbich, daß er mir hat erzählt, wie damals, von dir, Regie

Denn nun ging es in einem Zuge weiter. Die Großmutter, gesprächig und bei allen Kräften, schien nur Anlässe zu neuen Erzählungen zu suchen und all dies machte nicht etwa den Eindruck, als ob sie Arnold als Gast unterhalten wollte, sondern die reine Freude, sich mitzuteilen, sprach aus der klangvollen und ruhigen Stimme, die mühelos ihrem ungetrübten Geiste, ihrer Lebenskraft zu entströmen schien und dadurch den Hörer unmittelbar einnahm. Arnold verglich sich freudig mit ihr. »Seh ich der Großmutter nicht ähnlichfragte er die Mutter. Ja, es sei auffallend. »Aber wie willste mir ähnlich sei« lachte die Großmutter. »Ich bin doch bald iber hündert Jahr und du nur e Ableger noch.« »Wie alt bist du eigentlichmischte sich die Mutter ein »die Großmutter macht sich immer älter als sie ist, auch so eine LauneAber die Großmutter wußte gar nicht, wie alt sie sei, es war ihr auch gleichgiltig. »Ich möcht scho gern weg. I war lang genüg do. Ich bin so nur allen zur Last und mir achSeltsam, daß solche Reden den Eindruck ihrer Lebensfreude nicht abschwächten, eher verstärkten. Ob sie noch einmal jung sein wolle, fragte Arnold. Ohne direkt zu antworten, begann sie von einem Onkel Jermige zu erzählen »der hat mich emol im Theater aufgeführt, der gute Jermige, alles hat er verschenkt aus Rachmonis, an die Arme, und selbst is er im Dalles gestorben, nebbich Jermige. Selig, habn se geschrien, damals in dem Stück, selig, wenn man noch jung is. Warüm denn, hat man gefragt. No da tragen se einen auf den Armen. Willste eppes noch auf den Armen getragen werden, so haben se ihn ausgespott', wie halt Theater is.« »Du interessierst dich also auch für das Theater« fragte Arnold, innerlich erbebend; was für eine verschollene Operette mochte da eben in dieser Stube zum letztenmal zu einem kleinen Leben erwacht sein! »Die Großmutter! Na und ob sie sich dafür interessiert« lobte die Mutter. »Das hab ich per Jerusche« und sie kam auf ihre Eltern zu sprechen, auf ganze Familienverzweigungen mit ihren Leidenschaften, von denen längst keine Spur mehr auf der Erde lebte, und sie zogen vorbei, diese seltsamen Namen wie Moische, Srole, Peierl, Haschele, und ein Zusammenhang mit fremden Ortschaften ergab sich, von dem Arnold nie etwas geahnt hatte und der ihn mächtig aufwühlte, ja in Lichtenstadt hatten ihre Großeltern, die Großeltern der Großmutter, gewohnt und dort in dem Packerl müßte noch ein Stück Tuch aus Lichtenstadt sein. »Ihre Einbildungen« flüsterte die Mutter ihm zu. Auf einmal war diese uralte, eben dem Tode entrissene Person selbst ein Kind und erzählte, wie sie einmal auf dem gefrorenen Dorfteiche »geklitscht« hatte und dafür Schläge bekommen. Wie das Haus ihres Vaters abgebrannt war, der schon damals zehn Kinder hatte, neun Söhne darunter, und trotzdem sei die Mutter hundertunddrei Jahre alt geworden, und wie die Bauern der Umgebung damals für ihn zusammengeschossen hatten, um ihm fürs erste zu helfen, aber ein Jahr darauf war schon wieder ein Kind da, in all dem Schmerz. »Die Lait habn damals gemeint, das muß so seinUnd mit einer Art von Aufklärung erzählte sie die damaligen Sitten, wie man am Samstag kein Geld bei sich getragen habe, weil das als eine Art von Arbeit gedeutet wurde, eine »Newere«, ja die ganz Frommen trugen ihr Taschentuch um die Hand gewickelt, um es nicht aus der Tasche ziehn zu müssen. »Aber gewuchert haben sie dabei« tadelte die Mutter, ernst und modern. Nicht einmal eine Beere habe man abreißen dürfen, fuhr die Großmutter fort, und da sei einmal jemand (Arnold verstand diese Geschichte nicht ganz, viele Ausdrücke kannte er nicht, erst später stellte er es sich so zusammen, daß dieser »jemand« die Mutter der Großmutter gewesen sein müsse) in den Tempel gegangen, durch den Wald, damals habe man noch so weit her zum Tempel gehn müssen, und da habe sie der Versuchung nicht widerstehn können, eine »Rotbeere« zu pflücken, trotz der Ermahnung des Rabbiners. Und darauf sei sie, die Großmutter, mit einem häßlichen Muttermal in Gestalt einer roten Beere zur Welt gekommen. Und einmal habe sie sich eine Schere genommen, weil man sie auslachte, sei ins Nebenzimmer gegangen und habe sich die Beere abgeschnitten. »Davon hast du mir aber noch nie erzählt« wurde die Mutter mißtrauisch. Arnold zeigte auf einen roten Fleck an ihrer Hand: »Ist es das?«, aus Respekt wies er nicht mit dem Zeigefinger, sondern schlug alle Finger bis auf den kleinen ein und streckte diesen vor. »Nein, das hob ich mich verbrennt, neilichSie wurde nicht irre, und kam nun in der Reihenfolge der Generationen auf ihre eigenen Kinder. »Marie, mei guts Schof« rief sie plötzlich und Tränen standen ihr im Aug »Nebbich hat sie vor mir heruntergemußt. Was hätt ich nicht getan für das KindAuch von ihrem Zank mit Poldi wußte sie nichts. Er war zwar ein »ungehachelter Kerl«, ein »Parchköppele«, aber was lag daran, einen Jux wußte er zu machen und lustig war er, das war doch die Hauptsache. Sie schrieb ihm den Einfall zu, daß er beim Alcheten, dem Sündengebet, bei dem man sich als Büßer zeilenweise auf die Brust klopfte, zu seinem Nebenmann, der besonders heftig klopfte, gesagt habe: »Sie, mit Gewalt werden Sie da nix ausrichtenSie lachte hell wie Glöckchen, während sie das erzählte. Ja, einmal habe er ihr geraten, mit ihrer Stubentür aufs Gericht zu gehn, weil das ihr Haupt- und Kassabuch sei. Überhaupt, wenn er nur Zeit hätte, er würde schon kommen, er würde sie besuchen, sicher. Die Mutter senkte traurig den Kopf. »Poldile, wie haben se den gern gehabt. Zu jeder Huxt und Kirmes und Gvatterschaft haben se 'n geloden. Wie gefreckt is er mir immer nach Haus gekommen, wie so ein Babinski. Einmal aber hab ich gedacht, ich muß ihn holen und hab mer 'n Löffel genommen, den großen zum Auswinden für die Wäsch und hab gedacht, ich zerschlug ihn an ihm. Frau Goldbergen, habn se mir dort gesagt, bleiben's ock do und trinkens Wein mit uns. No so hab ich den Löffel unter die Bank gelegt und mitgetanzt.« ... »Was, du bist geblieben« Arnold riß die Augen auf ... »Nur e paar Stücklach« entschuldigte sich die Großmutter »Jo, das war nicht so wie die heutige Welt.« »So du glaubst auch, daß es früher besser war« fragte Arnold, zart, wie man etwa einen Professor, mit dem man spazieren geht, also außer der Stunde, ohne Recht auf Unterricht zu fragen wagt, ohne eigentliche Hoffnung belehrt zu werden; nur um ihm Gelegenheit zu geben, ihn zu erfreun, riskiert man es, ihn zu belästigen. »No, es waren halt zugetanere LaitAls er aber weiter drang, mit »Wie« und »Wieso«, schnitt sie ab: »Was, ich hab mir nix den Kopf damit eingenommenAber oben auf dem Boden habe sie einmal einen Korb voll durchgetanzter Schuhe gefunden, alle von Poldi und Regieleben ... Die Mutter zuckte die Achseln ... Ein Schuster habe sie darauf aufmerksam gemacht, daß Poldi sich jede Woche frische Schuhe anmessen lasse. Überhaupt habe er lauter solche »Tipplach und Sterzlach« gemacht. Auch Ware über die Grenze geschwärzt, und das ausgezeichnet! Arnold meinte, auch heutzutage sei man lustig, es werde ja eben in Wintertal ein Schützenfest gefeiert: »Nun, möchtest du nicht auch mit dabei sein, Großmama?« »Es wird ohne mir ach gehn.« »Aber es ist zu Ehren unseres Kaisers. Liebst du nicht unsern Kaisern? Ich habe ihn sehr gernZiemlich gleichgiltig wandte sie sich ab: »Warüm nicht. Er soll immer gut zu die Jehudim gewesen seinVergebens suchte ihr die Mama klarzumachen, daß das jetzt nicht mehr so sei, mit dieser Scheidung von Juden und Christen. »Laß mich gehn. Wenn's emol zu etwas kommt, so geht's doch nur wieder über die Jehudim her. Es hat immer noch für uns e miesen Ausbruch genommenSie wurde ganz traurig. Um sie zu erheitern, erzählte ihr Arnold, daß er in einem Komitee sei (verstand sie das Wort? Ja, sie nickte), mit vielen Christen beisammen und daß man sich da sehr gut vertrage. Man habe ein lustiges Festessen gefeiert, alle mit einander. »Ja, das können se, fressen und saufen, die ChaserimEr verzweifelte, doch machte er noch einen Versuch, indem er ihr von einer Freikarte erzählte, die er als Mitglied des Komitees habe, für alle Bahnen. Also auch hierher sei er umsonst gefahren. Er zeigte die Legitimation. (Tatsächlich hatte die Eisenbahndirektion den Ausschußleuten Ermäßigungen für die Strecke nach Waldbrunn gewährt.) »Nu, das is schön« er hatte das Richtige getroffen »da erspart man eppes. Da nimmste de ach die Mama mit, nicht wahrEr lachte: »Nein, das geht nichtUnd die Großmutter erzählte, wie ihr einmal fünf Kreuzer an der Bahnkassa gefehlt hätten und der Beamte dort sie nicht habe mitfahren lassen wollen. »So e Schlemasl, was ich habEin Lärm sei das geworden, in dem Gedränge, sie habe sich aber nicht wegdrängen lassen, bis ein Herr hinter ihr gesagt habe: So ein Skandal wegen fünf Kreuzern die alte Frau und ihr das Geld geschenkt habe. Die Mama zuckte nervös zusammen, Arnold amüsierte sich, dabei fühlte er aber, daß er etwas vergessen habe, bei einer schon vergangenen Wendung des Gesprächs, so schnell ging es jetzt. Während die Großmutter weiterplauderte und immer so vergnügt, als entschädige sie sich jetzt für langes Alleinsein, fiel es ihm ein: »Aber hier hast du dich ja nicht zu beklagen. Hier in der Gegend scheinen ja lauter so freundliche offene Leute zu sein, und alle so schön.« »No ja« meinte sie »selten sieht man so e Larvengesicht. Aber jetzt sind ach Böhmacken hier, so ein Haderlumpgesindel, Zorbechol. Was, die verkafen for e Kraizer, was früher hat e Gülden gekostSie entfesselte laute Anklagen gegen die Konkurrenz. Arnold erinnerte sich indessen wieder an etwas, was er vorher hatte fragen wollen: »Du hast schon mehrere Kaiser, erlebt, wasZuerst verstand sie ihn nicht. »Mehrere Regierungen von

Als er auf die Gasse trat, mußte er ein wenig die Augen schließen, so fremd erschien ihm alles, was ihn umgab: Wie konnte der Zugang zu etwas so innig Bekanntem so unbekannt sein! Gab es denn wirklich noch eine Welt außer dieser grauen alten Stube? Die Straße mißfiel ihm. Das Bild der alten Frau im Bett, zu Riesengrößen aufwachsend, stellte sich wie ein Schatten überallhin, vor jedes Haus. Um wie viel wichtiger war sie, ja nichts auf der Welt erschien ihm jetzt in gleicher Weise wichtig. Er hätte für sie sterben mögen, so begeistert war er ... Die Mutter redete neben ihm her: »Nicht zuhören kann ich, wenn sie von der seligen Marie spricht und Nebbich dazu sagt, oder von unsern Hüten. Ich glaube, wir haben überhaupt nie Hüte gehabt. Immer spricht sie so, als ob sie uns alles in Überfluß gegeben hätte. Gute Schläge, ja. Du darfst dir das nicht so vorstellen wie zu Hause, Arnold. Aber das hab ich ihr damals gesagt, bei Maries trauriger Hochzeit, wie sie uns alle mit so fürchterlichen Worten verflucht hat: daß sich alle dir abwenden und daß du allein und einsam sterben wirst, das wird dein Fluch sein ... Und so wird es und muß es ja kommen, Gott im Himmel. Das sind Sorgen, einmal wird sie auslöschen

Zugleich aber fiel ihm jetzt im Reden ein, daß er ja in Berlin zugleich diesen von Eisig angebotenen Journalistenposten annehmen könne und, obwohl er das nicht aussprach, verließ ihn der Gedanke nicht mehr. »Gib nur schön acht und sei gesund. Da is ach der Hausfrau neilich e Mädel zugezogen aus Wien und nebbich nach e paar Täg is se gestorben

Indessen aber, während er wie in ein Bassin von Schwermut untertauchte, hatte die Großmutter zu erzählen begonnen: »Marie nebbich hat ach immer eso gelesen in der Nacht bei der Lampen, ich hab längst gemant se schläft. Is Poldi emol nach Haus gekommen, e bißl schücker war er vielleicht und sogt ihr: No was weinst du denn da. Was lieste denn? Von Genofeva, sogt sie

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