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Aktualisiert: 20. Mai 2025


Ja, in der Provinz, da kann es der Schauspieler etwa noch schön haben. Dort, in den kleinen Landstädtchen, die noch von alten Ringmauern trotzig umschlossen sind, gibt es keine Premieren und keine fünfhundertste Aufführung ein und desselben Salates. Die Stücke wechseln mit den Tagen oder Wochen wie die blendenden Toiletten einer geborenen Fürstin, die zornig würde, wenn einer ihr zumuten wollte, jahrelang immer dasselbe Kleid zu tragen. Auch keine solche schnauzige Kritik gibt es in der Provinz, wie dergleichen der Schauspieler in den Weltstädten zu ertragen hat, wo es nichts mehr Ungewöhnliches ist, mit anzusehen, wie der Künstler von oben bis unten von grimmigen Witzen wie von wütenden Hunden zerrissen wird. Nein, in der guten, ehrlichen Provinz wohnt erstens der Mann mit der Maske vor dem Gesicht im Hôtel de Paris, allwo es toll und urgemütlich zugeht, und zweitens lädt man ihn etwa noch zu Abendgeselligkeiten ein, in feine, alte Häuser, wo es ein ebenso wohlschmeckendes Essen wie eine delikate Unterhaltung mit den ersten Personen der Kleinstadt gibt. Zum Beispiel meine Tante in Madretsch, die gab es nie und nimmermehr zu, daß von den Komödianten in unziemlichem, wegwerfendem Ton geredet wurde, im Gegenteil, nichts war ihr angenehmer und erschien ihr passender, als zum Abendessen, dessen Zubereitung sie selber beaufsichtigte, jede Woche einmal mindestens, so lange sie in der Stadt spielten, diese umherziehenden Leute recht lustig und fidel bei sich zu sehen. Meine Tante, die jetzt gestorben ist, war eine geradezu schöne Frau, auch noch zu einer Zeit, wo andere Frauen beginnen, ältlich und runzelig zu werden. Mit ihren fünfzig Jahren schien sie noch eine der allerjüngsten zu sein, und während in ihrer Umgebung die Frauen plumpe, mißförmige Figuren zur Schau trugen, zeichnete sie sich durch eine feste, üppig-schlanke Körperform zu ihrem eigenen, sehr großen Vorteil aus, daß sie jedermann, der sie ansah, für schön erklären mußte. Nie vergesse ich ihr helles, zartes Gelächter und nie den Mund, aus dessen reizender

Fünftes Kapitel. Sebastian war ein junger Poet, der seine Verse von einer kleinen Bühne herab dem Publikum vortrug. Er pflegte sich dabei durch sein Ungestüm immer ein wenig lächerlich zu machen. Er war in jungen Jahren seinen Eltern durchgebrannt, hatte mit sechzehn Jahren in Paris gelebt und war mit zwanzig zurückgekommen. Sein Vater war Musikdirektor in der kleinen Stadt, wo auch Hedwig, die Schwester der drei Brüder, zu Hause war. Dort trieb Sebastian ein merkwürdig tagediebisches Wesen, saß oder lag tagelang in einer hochgelegenen, verstaubten Kammer, ausgestreckt auf einem schmalen Bett, in dem er des Nachts schlief, ohne sich die Mühe zu nehmen, es für den Schlaf in Ordnung zu bringen. Seine Eltern hielten ihn für verloren und ließen ihn tun, was er wollte. Geld gaben sie ihm nicht, denn sie hielten es für unangebracht, mit Geldspenden den Ausschweifungen ihres Sohnes entgegenzukommen, denen sie ihn ausgesetzt wußten. Zu einem ernsthaften Studium war Sebastian nicht mehr zu bewegen; er trieb sich, irgend ein Buch unter dem Arm oder in der Tasche, auf den Bergen, in den Wäldern umher, kam oft mehrere Tage lang nicht nach Hause, übernachtete, wenn das Wetter nur einigermaßen es gestattete, in verfallenen, von keinem Menschen, nicht einmal von wilden und rauhen Hirten benutzten Hütten, auf Weiden, die dem Himmel näher lagen als irgend einer menschlichen Zivilisation. Er trug immer denselben zerschossenen Anzug aus hellgelbem Tuch, ließ sich den Bart wachsen, legte aber sonst sehr viel Wert darauf, angenehm und sauber zu erscheinen. Seine Fingernägel pflegte er mehr als seinen Verstand, den er einfach verwildern ließ. Er war schön, und da es bekannt war, daß er dichtete, so verbreitete sich um seine Person ein halb lächerlicher, halb wehmütiger Zauberschein, und es gab viele vernünftige Menschen in der Stadt, die den jungen Mann aufrichtig bemitleideten und sich seiner, wo sie nur konnten, aufs herzlichste annahmen. Man lud ihn, da er ein vortrefflicher Gesellschafter war, öfters zu Abendgeselligkeiten ein, und entschädigte ihn solchermaßen ein wenig dafür, daß ihm die Welt weiter keine Aufgaben stellte, die seinen Drang nach Betätigung hätten befriedigen können. Sebastian besaß in hohem Grade diesen Drang, aber er war zu sehr aus dem Geleise des allgemein gültigen und vorgeschriebenen Strebens hinausgekommen. Er strebte vielleicht zu wild, und nun, da er einsah, daß sein Streben ihm nichts half, mochte er gar nicht mehr streben. Er spielte seine eigenen Lieder, die er gedichtet hatte, auch auf der Laute und sang mit angenehmer, weicher Stimme dazu. Das einzige Unrecht, allerdings ein großes, das man ihm angetan hatte, bestand darin, daß man ihn, schon als Schulknaben, verhätschelte und ihm half, sich einzubilden, daß er so etwas wie ein genialer Bursche sei. Wie bohrte sich solch eine stolze Einbildung in das empfängliche Knabenherz hinein! Erwachsene Frauen bevorzugten den Umgang mit dem frühreifen, allesverstehenden Knaben, der ihnen einen unvergleichlichen Reiz einflößte, auf Kosten seiner eigenen menschlichen Entwicklung. Sebastian pflegte oft zu sagen: »Meine Glanzzeit liegt längst hinter mirEs war schrecklich, einen so jungen Mann so sprechen zu hören. In der Tat, was er auch machte, bezweckte, einleitete und tat, er tat es mit müdem, kaltem, halbem Herzen, und so tat er eben nichts, er spielte bloß noch mit sich. Hedwig sagte einmal zu ihm: »Sebastian, hören Sie, ich glaube, Sie weinen oft über sich selberEr nickte mit dem Kopf und bestätigte es. Hedwig bemitleidete ihn und steckte ihm manchmal etwas an Geld oder dergleichen zu, um ihm das Leben etwas freundlicher zu machen. So nahm sie ihn auch diesmal auf die kleine Reise mit, zu ihren Brüdern. An dem Abend, an dem Klara so selig war, Klaus traurig und einsam, Simon glücklich, Kaspar aufgebracht und übermütig, wandelten die beiden, Hedwig und ihr Poet, langsam und stillschweigend, ebenfalls am Ufer entlang. Was konnte man sprechen; so schwieg man eben. Kaspar kam ihnen entgegen: »Wie ich höre, arbeiten Sie an einem Gedicht, das den Inhalt Ihres Lebens widerspiegeln soll. Wie können Sie ein Leben wiedergeben wollen, wo Sie doch kaum eines erlebt haben. Sehen Sie sich einmal an: wie stark und jung Sie sind, und das will sich hinter den Schreibtisch verkriechen und in Versen sein Leben besingen. Machen Sie das, wenn Sie fünfzig alt sind. Ich finde es übrigens beschämend für einen jungen Mann, Verse zu verfertigen. Das ist keine Arbeit, sondern nur ein Schlupfwinkel für Müßiggänger. Ich wollte nichts sagen, wenn Ihr Leben fertig und abgeschlossen wäre durch irgend ein großes besänftigendes Erlebnis, das den Menschen berechtigt, Rückschau zu halten auf Fehler, Tugenden und Verirrungen. Sie aber scheinen noch nie gefehlt zu haben und scheinen auch noch nie eine gute Tat begangen zu haben. Dichten Sie erst, wenn Sie als Sünder oder als Engel dastehen. Dichten Sie lieber überhaupt gar nicht

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