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Die andern Herren setzten indes ihre kleinen Münzen wie zuvor, und insbesondere die beiden Ricardi zeigten sich höchst ungehalten, wenn der Marchese sie nicht mit der gleichen Rücksichtnahme zu behandeln schien, wie den Leutnant Lorenzi.
Und der Marchese schloß statt seiner: »Zwingt, wer mag.« – Lorenzi streute seine Goldstücke wie achtlos vor sich hin. »Da sind sie.
Also – das Pfand genügt mir, Herr Leutnant, bis auf weiteres.« – »Lorenzi!« rief Olivo, »von uns allen haben Sie das Wort, daß keine Seele jemals erfahren wird, was soeben hier vorgegangen ist.« – »Und was auch Herr Lorenzi begangen haben mag,« sagte Casanova, »Sie, Herr Marchese, sind der größre Schuft.« – »Das will ich hoffen,« erwiderte der Marchese. »Wenn man einmal so alt ist wie unsereiner, Herr Chevalier von Seingalt, darf man sich wenigstens in der Schurkerei von niemandem andern übertreffen lassen.
Daß er selbst Lorenzi umgebracht hatte, kam ihm kaum recht zu Bewußtsein; er war nur froh, daß er sich immer weiter von Mantua entfernte, daß ihm endlich für eine Weile Ruhe gegönnt war ... Er verfiel in den tiefsten Schlaf seines Lebens, der gewissermaßen zwei Tage und zwei Nächte dauerte; denn die kurzen Unterbrechungen, die das Wechseln der Pferde notwendig machte, und während deren er in Wirtsstuben saß, vor Posthäusern auf und ab ging, mit Postmeistern, Wirten, Zollwächtern, Reisenden gleichgültige Zufallsworte tauschte, hatte er als Einzelvorfälle nicht im Gedächtnis zu bewahren vermocht.
Das hab’ ich vor ihm voraus. – Zwar war er im Innersten überzeugt, daß Lorenzi nicht nur Marcolinens erster Liebhaber, sondern er vermutete sogar, daß es heute die erste Nacht war, die sie ihm geschenkt hatte; doch das hielt ihn nicht ab, seine boshaft-lüsternen Gedankenspiele weiterzutreiben, während er den Garten längs der Mauer umkreiste.
Der Abbate hatte Grüße vom Marchese Celsi zu bestellen, der, wenn es seine Gesundheit zuließe, heute abend samt Gemahlin bei seinem werten Freund Olivo erscheinen wollte. »Das trifft sich gut,« sagte dieser, »da haben wir gleich dem Chevalier zu Ehren eine hübsche kleine Spielgesellschaft; die Brüder Ricardi erwarte ich gleichfalls, und auch Lorenzi kommt; die Kinder sind ihm auf seinem Spazierritt begegnet.« – »Er ist noch immer da?« fragte der Abbate. »Schon vor einer Woche hieß es, er solle zu seinem Regiment abgehen.« – »Die Marchesa,« meinte Olivo lachend, »wird ihm beim Obersten einen Urlaub erwirkt haben.« – »Es wundert mich,« warf Casanova ein, »daß es für Mantueser Offiziere jetzt Urlaub gibt.« Und er erfand weiter: »Zwei meiner Bekannten, einer aus Mantua, der andre aus Cremona, sind nachts mit ihren Regimentern in der Richtung gegen Mailand abmarschiert.« – »Gibt’s Krieg?« fragte Marcolina vom Fenster her; sie hatte sich umgewandt, die Züge ihres umschatteten Gesichts blieben undeutbar, – doch ein leises Beben ihrer Stimme hatte Casanova als einziger wohl gemerkt. »Es wird vielleicht zu nichts kommen,« sagte er leichthin. »Aber da die Spanier eine drohende Haltung einnehmen, heißt es bereit sein.« – »Weiß man denn überhaupt,« fragte Olivo wichtig und stirnrunzelnd, »auf welche Seite wir uns schlagen werden, auf die spanische oder auf die französische?« – »Das dürfte dem Leutnant Lorenzi gleich sein,« meinte der Abbate. »Wenn er nur endlich dazu kommt, sein Heldentum zu erproben.« – »Das hat er schon getan,« sagte Amalia. »Bei Pavia vor drei Jahren hat er mitgefochten.« Marcolina aber schwieg.
Lorenzi nahm sie nicht; doch nun sprach er das erste Wort. »Ich erinnere mich nicht,« sagte er, »daß auch dies in unserm Pakt enthalten gewesen wäre.« Er wandte sich und ging. Sind wir so genau, mein Freund? dachte Casanova. So darf ich mich um so sicherer darauf verlassen, daß ich nicht am Ende der Geprellte sein werde.
Hier sind meine zweitausend Dukaten – vielmehr die Ihren – wenn Sie es ermöglichen, daß ich die heutige Nacht an Ihrer Stelle mit Marcolina verbringe. Wir wollen nicht stehenbleiben, Lorenzi, wir wollen weiterspazieren.«
Im selben Augenblick erhob sich Casanova, der indes das Gold, das vor ihm lag, in ein Seidentuch zusammengerafft hatte, und folgte ihm auf dem Fuß. Er fühlte, ohne die Mienen der andern zu sehen, daß sie alle der Meinung waren, er beeile sich nun, dasjenige zu tun, was sie die ganze Zeit über von ihm erwartet, und werde Lorenzi die gewonnene Geldsumme zur Verfügung stellen.
Daß Lorenzi Marcolina an ihn verkauft hatte, daran konnte nach der Lage der Dinge kein Zweifel für sie sein; – aber wie tief sie den Elenden in diesem Augenblick auch hassen mochte, Casanova fühlte, daß er, der feige Dieb, ihr noch tausendmal hassenswerter erscheinen mußte.