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Lorenzi ist morgen fort, ich wäre geblieben ... Fünf Tage ... dreiund sie hätte mir gehörtwissend mir gehört. – Er stand an die Wand des Hauses gedrückt, neben Marcolinens Fenster, das noch fest verschlossen war, und seine Gedanken flogen weiter. Ist es denn zu spät dazu?... Ich könnte wiederkommen, – morgen, übermorgen ... und begänne das Werk der Verführungals ehrlicher Mann sozusagen.

Casanova hörte ihr mit wachsendem Staunen zu. Da er sich außerstande fühlte, Marcolina zu bekehren, um so weniger, als er immer mehr erkannte, wie sehr eine gewisse schwankende Seelenstimmung seiner letzten Jahre, die er als Gläubigkeit aufzufassen sich gewöhnt hatte, durch Marcolinens Einwürfe sich völlig aufzulösen drohte, so rettete er sich in die allgemein gehaltene Betrachtung, daß Ansichten, wie Marcolina sie eben ausgesprochen, nicht nur die Ordnung im Bereich der Kirche, sondern daß sie auch die Grundlagen des Staates in hohem Grade zu gefährden geeignet seien, und sprang von hier aus gewandt auf das Gebiet der Politik über, wo er mit seiner Erfahrung und Weltläufigkeit eher darauf rechnen konnte, Marcolinen gegenüber eine gewisse Überlegenheit zu zeigen.

Von einem Kerl wie Lorenzi mußte man am Ende auch der peinlichsten Überraschung gewärtig sein. – Aber dann ... In diesem Augenblick hörte er ein leises knackendes Geräusch, – er wußte, daß nun das Gitter von Marcolinens Fenster sich zurückschob, gleich darauf öffneten sich beide Flügel weit, während der Vorhang noch zugezogen blieb.

Denn selbstverständlich werde ich dem Anschein nach bereits heute abend abreisen, dann unter dem Vorgeben, ich hätte wichtige Papiere vergessen, den Kutscher auf halbem Wege zur Umkehr veranlassen und mich durch die Hintertürden Nachschlüssel stellen Sie mir zur Verfügung, Lorenzi, – in den Garten, ans Fenster Marcolinens schleichen, das sich um Mitternacht auftun wird.

Hätte Casanova nicht mittelst seiner Urteilskraft das Erlebte und Geträumte auseinanderzuhalten vermocht, so hätte er sich einbilden können, daß er in Marcolinens Armen in einen wirren Traum verfallen war, aus dem er erst beim Anblick des Campanile von Venedig erwachte.

Und was er in Marcolinens Blick las, war nicht, was er tausendmal lieber darin gelesen: DiebWüstlingSchurke –; er las nur dies eine –, das ihn schmachvoller zu Boden schlug als alle andern Beschimpfungen vermocht hättener las das Wort, das ihm von allen das furchtbarste war, da es sein endgültiges Urteil sprach: Alter Mann. – Wäre es in diesem Augenblick in seiner Macht gestanden, sich selbst durch ein Zauberwort zu vernichtener hätte es getan, nur um nicht unter der Decke hervorkriechen und sich Marcolinen in seiner Blöße zeigen zu müssen, die ihr verabscheuungswürdiger dünken mußte als der Anblick eines ekelhaften Tieres. – Sie aber, wie allmählich zur Besinnung kommend, und offenbar in dem Bedürfnis, ihm möglichst rasch zu dem Gelegenheit zu geben, was doch unerläßlich war, kehrte ihr Gesicht nach der Wand, und er benutzte die Zeit, um aus dem Bette zu steigen, den Mantel vom Boden aufzunehmen und sich darein zu hüllen.

Casanova wußte genug. Er trat an Marcolinens Seite und umfaßte den Garten mit einem großen Blick.

Auch erwähnte sie der Absicht, nächstes Jahr nach Frankreich zu reisen, um den berühmten Mathematiker Saugrenue von der Pariser Universität, mit dem sie in Korrespondenz stehe, persönlich kennenzulernen. »Vielleicht mache ich mir das Vergnügensagte sie lächelnd, »mich auf dem Weg in Ferney aufzuhalten, um aus Voltaires eigenem Mund zu erfahren, wie er die Streitschrift seines gefährlichsten Widersachers, des Chevaliers von Seingalt, aufgenommenCasanova, die Hand auf der Seitenlehne des Wagens, neben Marcolinens Arm, dessen sich bauschende Hülle seine Finger streifte, erwiderte kühl: »Es wird sich weniger darum handeln, wie Herr Voltaire, als vielmehr wie die Nachwelt meine Schrift aufnimmt; denn diese erst wird ein Recht darauf haben, die endgültige Entscheidung zu treffen.« – »Sie glaubenmeinte Marcolina ernsthaft, »daß in den Fragen, die hier zur Sprache stehen, überhaupt endgültige Entscheidungen gefällt werden können?« – »Diese Frage wundert mich aus Ihrem Munde, Marcolina, deren philosophische, und wenn das Wort hier angebracht erscheint, religiöse Ansichten mir zwar keineswegs an sich unbestreitbar, aber doch in Ihrer Seelefalls Sie eine solche als vorhanden annehmenvollkommen fest gegründet schienen.« – Marcolina, der Spitzen in Casanovas Rede nicht achtend, sah ruhig zum Himmel auf, der sich in dunkler Bläue über die Wipfel der Bäume breitete, und erwiderte: »Manchmal, besonders an Tagen wie heute,« – und in diesem Wort klang nur für Casanova, den Wissenden, aus den Tiefen ihres erwachten Frauenherzens eine bebende Andacht mit – »ist mir, als wäre all das, was man Philosophie und Religion nennt, nur ein Spiel mit Worten, edler freilich, doch auch sinnloser als alle andern sind.

Wer wird Marcolinens nächster Liebhaber sein? fragte er sich. Der Professor in Bologna, in dessen Hause sie wohnt? O, ich Narr. Der war’s ja längst ... Wer noch? Olivo? Der Abbate? Warum nicht?! Oder der junge Knecht, der gestern glotzend am Tore stand, als wir angefahren kamen? Alle! Ich weiß es. Aber Lorenzi weiß es nicht.

Nun ließ sie die Arme sinken; ihre Lippen bewegten sich sonderbar, als flüsterten sie ein Gebet; wieder schweifte ihr Blick langsam suchend durch den Garten, dann nickte sie kurz, und im selben Augenblick schwang sich jemand über die Brüstung ins Freie, der bis jetzt zu Marcolinens Füßen gekauert sein mußte, – Lorenzi.