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Kommt hinzu, daß Grabbe ein so männlicher Mann ist, daß er geistig sofort jede Empfindung in ihre realen Motive zerlegt und im Rausch schon die Tristitia nahe fühlt. Wenn er schließlich doch erst um Henriette Meyer, später um die Tochter seines alten Gönners, um Luise Clostermeier wirbt, so ist das im Grunde die Flucht eines bereits wrack Gewordenen unter das Dach täglicher Fürsorge.

Er zwingt ihn, die Maske des doppelten Gesichts vom glücklichen Anfang bis zum traurigen Ende zu tragen. Vorzügliche Zeugnisse in der Tasche, die Brust übervoll von Plänen zieht Grabbe nach Leipzig. Der Lärm von »Klein-Paris« betäubt ihn. Erregt wirft er sich in den Strudel des großstädtischen Treibens. Aber bald finden wir ihn wieder abgeschwemmt.

Der unsichere Grabbe verliert, nun nicht bloß im alles schablonisierenden Dienst, sondern auch im eigenen Heim dauernden Reizungen ausgesetzt, völlig jede Haltung. Vor der Ehe hatte ihm die Frau u. a. etwa folgenden Brief geschrieben: »Hochgeschätzter Herr Auditeur!

Im Napoleon findet Grabbe sie: dieser Korse ist ein Sohn der Revolution, aber über sie hinaus Diktator der neuen Zeit, der Mensch aus der Masse ihr Herrscher, die Besiegung einer verluderten Namensaristokratie endet mit einer wirklichen Aristokratie.

Grabbe, den der Wein schon nicht mehr klar sehen ließ, der aber instinktiv fühlte, daß man ihn in eine Falle locken wollte, kreuzte die abgezehrten Hände wie schützend über der Brust. Seine Stimme klang weinerlich: »Aber Herr Rat, ich habe doch nichts hier.

Heute, wo es zerschmettert im Abgrund liegt, wächst ins Bergehohe die Schuld jener Sekretärsnaturen, die im Schatten eines blinden Gottesgnadentums die Völker verfeilschten, die Ideen ins Unproduktive verfälschten und den Geist an die Phrase verrieten. Grabbe litt unter dieser Zeit.

Einstweilen zeigte sich freilich das Schicksal noch freundlich. Grabbe reißt sich zusammen, macht sein Staatsexamen, wird bald Auditeur in der Lippeschen »Armee« und ist für die Bürgerschaft der »berühmte Sohn der Stadt«, nach dem sich die Köpfe bei Bällen, Konzerten und im Theater umwenden. Und Grabbe festigt seinen jungen Ruf.

Eifersucht und Niedertracht machen den in der Seele tödlich verwundeten Dichter fast zum Tollhause reif. Kein Wunder, daß Grabbe innerlich und äußerlich zusammenbricht. Er ist schludrig in seinem Amt, merkt es, will sich rechtzeitig salvieren und richtet an den Fürsten ein Gesuch um Einstellung in die Armee als Hauptmann. Es kann kaum sein Ernst sein.

Ohne Milderung ist das Leben für Grabbe. Keine Frauenhand liegt tröstend und die heiße Schläfe kühlend auf seiner Stirn. Frauen pflegen solchen Menschen auszuweichen. Ihnen fehlt das Empfindsame, das sie mit der grotesken Wildheit und animalischen Lust versöhnt. Ihnen fehlt auch das Unnahbar-Heroische. Danton und Robespierre konnten Frauen haben. Sie lagen bei jenem und schauten zu diesem auf.

Die Maske fiel. Das doppelte Gesicht verschmolz zu einem, auf dem schon das Licht einer anderen Welt lag. Noch einige Wochen lebte Grabbe im eigenen Haus, von Schimpf und Bosheit gepeinigt. Dann starb er am zwölften September achtzehnhundertachtunddreißig in den Armen seiner Mutter, während oben in der Dachstube bei einem Glase Festwein seine Frau die Erbschaftspapiere ordnete.