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Aktualisiert: 4. Mai 2025
Ob er an Ragni telegraphierte? Nein, er ließ sie lieber, wo sie war; besser konnte sie es ja nicht haben. Indessen kam er selber in eine recht ernste Sache hinein. Sein erster Krankenbesuch noch am selben Abend galt einer armen Mutter mit vielen Kindern, Sissel Aune, einer Waschfrau unten in der Stadt, die an einer Lungenentzündung darniederlag.
Aber sie redeten von ganz anderen Dingen: daß ihre Schwester nicht kommen könne, und daß er Sissel Aune zu Ragnis Pflege geholt habe; sie eigne sich von allen, die er kenne, am besten dazu und sei ihnen treu ergeben. Ragni nickte zustimmend. Und dabei sahen sie einander an, wie Menschen, die sich nicht satt aneinander sehen können.
Der kurzsichtige Kallem ging hastig auf sie zu und erkannte Sissel Aunes Stimme. "Liebster, bester Herr Doktor, seien Sie doch gut und barmherzig!" fing sie an zu jammern. "Liebster, bester Herr Doktor!" Kallem glaubte, sie komme seiner Schwester wegen; ihr sei etwas geschehen. Es überlief ihn kalt. Aber Sissel fuhr fort: "Niemand kann ihn mehr bändigen; jede Nacht ist er wie verrückt."
Obgleich auf ihrem kräftigen, offenen Gesicht viel Mitgefühl lag es war doch das einer Fremden; meilenweit entfernt von Kallems stummer Verzweiflung sah sie es mit an. "Ist sie tot?" flüsterte Sigrid. Sissel schüttelte den Kopf. Und Ragni hörte die Frage; sie blickte auf.
Und dabei hörten sie den Köter bellen, bellen, als ob er eine wilde Bestie vor sich habe, die er im nächsten Augenblick zerreißen wollte. Jetzt liefen sie beide, so schnell sie konnten; Kallem war Sissel bald weit voraus. Aune konnte es kaum sein, der da in Gefahr war, aus solcher Nähe hatte der letzte Schrei nicht geklungen. Das rasende Tier war über den ersten besten hergefallen.
Ein neuer Schrei näher als der erste ein Notschrei aus der letzten Kraft eines Menschen. Ein Schauder überlief sie; sogar der Hund stutzte. Aber dann setzte er, an ihnen vorbei, in einem großen Bogen auf den Spuk los. "Gott steh uns bei jetzt hat er ihn!" weinte Sissel auf und stürzte vorwärts; dem Hund durfte der Besessene auf keinen Fall zwischen die Zähne laufen!
Sie sah ihre Schuld darin, daß sie unverträglich gegen eine Frau gewesen war, die im Grunde eben doch eine Sünderin war. Wenn Sissel Aune oben bei dem Jungen saß und ihm von Ragni erzählte, wie liebevoll sie bis zum letzten Augenblick gewesen sei, dann empfand sie das Unmenschliche ihres Betragens, daß sie Ragnis Herzensgüte, daß sie Kallems Liebe hatte übersehen können.
Diesmal hatte sie ihre Brille mitgebracht und ein altes, liebes Buch; Sissel konnte schlafen; sie würde hier sitzen bleiben, bis es zu Ende war. Sissel sagte ihr, was zu tun sei, und legte sich dann auf Josefines Bett. Erst um sechs Uhr abends streckte der Pastor den Kopf zur Tür herein. Erst jetzt wagte er, Josefine auf einen Augenblick zu verlassen.
Karl war auf sein Zimmer gegangen; Sigrid saß mit Sissel in ihrer Kammer. Leer die Küche, leer die Stuben, leer das Studierzimmer. Er hatte ihr versprochen, etwas zu lesen, was sie geschrieben hatte es lag unter Karls Brief. "Nachher!" stand darauf. Aber er konnte jetzt nicht, überhaupt nicht, solang sie noch im Hause war.
In diesem Augenblick wurden alle von einem wilden Schrei im Hintergrund aufgeschreckt. Josefine hatte blitzschnell die Tür aufgerissen, sah die weißen Operationsmäntel, sah Kallem voller Blut in der Brust ihres Kindes wühlen, und stürzte kopfüber zu Boden. "War die Tür nicht abgeschlossen?" fragte Kallem. Sissel kam von innen gelaufen, der Pastor von außen, und zusammen trugen sie sie hinaus.
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