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"Uns alle wandelte ein Grauen an; denn man konnte glauben, er sei schon gestorben, so gestanden und gläsern war sein Blick. Endlich sah er meinen Herrn; wütend riß er seine blutigen Binden von der durchschossenen Brust, daß das Blut herausströmte.

Er hatte einen sonderbaren Traum, der ihn noch lange nachher beschäftigte: Es war in Paris, aber warum es in Paris war, das wußte er nicht mehr. Zuerst ging er durch eine Straße, die war ganz mit grünem, saftigem Laub bedeckt, so daß die Schleppen der Damen das Laub rauschend hinter sich nachzogen. Immer fiel ein leiser grüner Regen von kleinen, flüsternden Blättern, und ein unaussprechlich sanfter Wind wehte daher, wie ein Hauch von Wolken. Die Häuser waren wunderbar hoch, bald grau, bald gelblich, bald schneeweiß. Die Männer, die auf der Straße dahergingen, trugen die Locken lang herunter, wo sie über die Schultern fielen, auch Zwerge mit schwarzen Fräcken und roten Hüten liefen, sie konnten den anderen zwischen den gekreuzten Beinen durchschlüpfen. Die Damen in ihren Schleppen waren herrliche Figuren, groß, viel größer als die Männer, die doch auch schlank erschienen. An den schlanken Büsten der Damen hingen Lorgnetten bis zum Leib hinunter und ein Bogen von schweren, üppigen Haaren überspannte ihre lieblichen Köpfe. Obenauf saßen winzige Hütchen mit noch winzigeren Federchen, aber einzelne trugen große, weit und herrlich herunterfallende Federn, die den ganzen Kopf zurückzubiegen schienen. Etwas Wundervolles waren die Hände und die Arme der Frauen, die mit langen, schwarzen Handschuhen bis über die zierlichen Ellbogen hinaus bedeckt waren. Es schien überhaupt, so weit man blickte, alles wundervoll. Die großen Häuser wollten sich immer auf und nieder bewegen wie seltsame natürliche Kulissen in einem Theater. Das Licht gehörte halb dem Tag und halb wieder der vorgerückten Nacht. Jetzt gelangte man zu einem Haus, das ganz mit wildem Grün überdeckt war. »Dort wohnen die schönsten Frauen von Paris«, wurde einem gesagt, wenn man frug. Auf einmal bog sich eine duftige, weiße Wolke in die Straße herunter. Wenn man erstaunt fragte: »Was ist daswurde geantwortet: »Sie sehen, es ist eine Wolke. Eine Wolke ist in den Pariserstraßen keine seltene Erscheinung. Sie aber sind wohl Ausländer, daß Sie sich noch darüber verwundern könnenDie Wolke blieb als ein weißer Schaum, ähnlich einem großen Schwane, auf der Straße liegen. Viele Damen liefen zu ihr hin und rupften kleine Stücke davon ab und setzten sie sich, unter wundervollen Armbewegungen, auf die Hüte oder warfen sie einander scherzend zu, daß sie an den Kleidern hängen blieben. Man dachte: »Seht doch, diese Pariser! Da lächeln sie leicht über den Ausländer, der sich wundert. Aber wundern sich die Pariser nicht selber jeden neuen Tag über die Schönheiten ihrer StadtDann kamen die bösen Pariser-Gassenjungen und kitzelten die Wolke mit brennenden Streichhölzchen, da flog die Wolke wieder auf, leicht und majestätisch in die Höhe, bis sie über den Häusern verschwand. Wieder beobachtete man die Straße. In den schönen, vorspringenden Restaurants servierten die Kellner in hellgrauen Fräcken und die Damen tranken Kaffee und plauderten mit ihren entzückenden Stimmen. Poeten standen auf erhöhten Brettern und sangen die Lieder, die sie zu Hause gedichtet hatten. Sie waren in braunen, edlen Samt gekleidet. Es waren keine lächerlichen Erscheinungen, nichts weniger als das. Man amüsierte sich mit dem, was sie zum besten gaben, ohne ihnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, was in Paris unmöglich wäre. Schöne, schlanke Hunde liefen hinter den Menschen her und betrugen sich so, als wüßten sie, daß man sich in Paris gut aufführen muß. Jegliche Figur und Erscheinung schien mehr zu schweben, als zu gehen, mehr zu tanzen, als zu schreiten, mehr zu fliegen als zu laufen. Und doch lief, ging, sprang, schritt und marschierte alles ganz natürlich. Die Natur schien sich in dieser Straße niedergesetzt zu haben. Ganze Schafherden durchzogen mit Geläute, das immer bim-bim machte, die Straße wie ein abendliches Tal, den dunkelgekleideten Hirten voran. Dann kamen Kühe mit großen Glocken: bim-bam und: bum-bum! Und doch war es eine Straße und gar keine Bergweide, mitten in Paris war es, im Herzen der europäischen Eleganz. Allerdings, die Straße war breit wie ein großer, breiter Strom. Jetzt auf einmal wurden die Lichter angezündet, von kleinen, behenden Jungen, die lange Anzünderstäbe trugen. Mit diesen machten sie die Hähne oben an den Laternen auf, daß das Gas herausströmte aus den Leitungen und zündeten dann an. So sprangen sie von einer Laterne zur andern, bis alle angezündet waren. Nun schimmerten die Lichter überall hervor und schienen zu wandern mit den beweglichen Menschen. Was war das für ein zauberhaftes, weißes Licht, und diese Teufelsjungen, die es entzündeten, wo sprangen sie her, wo hin, wo weg, wo hinaus? Wo waren sie zu Hause, hatten sie auch Eltern, Brüder, Schwestern, gingen sie auch zur Schule, konnten sie auch groß werden, Frauen heiraten, Kinder erzeugen, alt werden und sterben? Sie waren alle in blaue kurze Röcke gekleidet gewesen und schienen Gummischuhe getragen zu haben, denn man hörte sie nur huschen, nicht gehen. Weg waren sie. Nun sah man, so wie es Abend wurde, wunderbar-merkwürdige Frauengestalten auf der wandelnden Straße. Sie trugen übergroße Haarfüllen, mit hellgelben und tiefschwarzen Haaren. Ihre Augen glänzten und schimmerten, daß es einem weh tat. Das Herrlichste an ihnen waren die Beine, die nicht von Schleppen oder Röcken bedeckt waren, sondern sich zeigten bis zur Kniehöhe, von wo an eine spitzenrauschende Hose sie umhüllte. Die Füße, bis hinauf beinahe zu den biegsamen Knieen, waren mit hohen, aus feinstem Leder geschaffenen Schuhen bekleidet. Die Schuhe selbst waren das Zarteste, was sich dazu eignen konnte, einen bewegsamen Frauenfuß zu umschließen. Man mußte nur sehen und aus dem Herzen heraus lachen. Der Gang dieser Frauen hatte etwas zum Jubeln Schwebendes, wieder Schweres und wieder Tanzendes. Wie die gingen, das war zum Nachzeichnen und Mitfühlen, das hob einen mit, und zog einen nach, machte einen mit den Augen das Süße anträumen, machte die Seele erwachen und nachdenken darüber, wie es komme, daß Gott die Frauen so schön erschaffen. Man fühlte lebhaft: »Wenn die Götter irgendwo heimisch sein könnten auf der Erde, was zwar nicht denkbar, so müßte dieser Ort Paris seinAuf einmal, ohne daß er es sich versah, befand sich Simon auf einer aus dunklem Holz gezimmerten und geschnitzten Treppe, die ihn in ein Zimmer hinaufführte, wo auf einem Diwan ein schlafendes Mädchen lag. Wie er näher zusah, war es Klara. Ein Kätzchen schlummerte neben ihr, und die Schlafende hielt es mit dem Arm umschlungen. Ein Diener, ein Neger, trug ein Abendessen herein, und Simon setzte sich an den Tisch, während aus der Zimmerdecke hernieder, wie das Geplätscher eines kostbaren, erfinderischen Brunnens, eine leise, gedämpfte Musik rauschte, die bald in der Ferne und bald neben seinem Ohr erklang. »In Paris wird seltsam serviertdachte Simon, indem er es sich, wie in einem Märchen von Gebrüder Grimm, wohlschmecken ließ. Da erwachte die Schlafende. »Komm, ich will dir etwas zeigenlispelte sie ihm zu. Er erhob sich, und sie öffnete mit einem Zauberstab, wie es schien, eine Flügeltüre, wenigstens sah man nicht, daß sie eine ihrer Hände dazu gebrauchte. »Ich bin jetzt eine Zauberin gewordenlächelte sie den erstaunten Simon an, »zweifle nicht daran, aber laß es dich auch keineswegs erschrecken. Ich zeige dir nichts AbstoßendesEr ging mit ihr in das andere Zimmer, sie hauchte ihn mit ihrem duftenden, warmen Atem an, und auf einmal erblickte er seinen Bruder Klaus, wie er dasaß und an seinem Schreibtische schrieb. »Er ist fleißig und schreibt an seinem Lebenswerkesprach Klara mit leiser, hindeutender Stimme. »Siehst du, wie er ein gedankenvolles Gesicht macht. Er geht in seinen Betrachtungen über den Lauf der Flüsse, die Geschichte und das Alter der Berge, die Windungen der Täler und der Erdschichten unter. Aber dazwischen denkt er jetzt seines Bruders, er denkt an dich! Sieh, wie seine Stirne sich faltet. Du scheinst ihm Sorgen zu machen, du Böser! Er kann leider nicht sprechen, sonst würden wir beide hören, wie er denkt über dich und was er zu deinem Tun meint, das ihn bekümmert. Er liebt dich, sieh ihn nur an! Ein solcher Mensch liebt seinen Bruder und möchte ihn in der Welt als braven, geachteten Mann wissen. Aber das Bild löst sich, wie ich sehe, schon auf. Komm. Ich zeige dir jetzt etwas anderesIndem sie das sagte, öffnete sie zugleich eine zweite, etwas kleinere Türe mit ihrem Stäbchen, das sie wirklich in der Hand trug, und Simon erblickte seine Schwester Hedwig ausgestreckt auf einem mit weißen Linnen bedeckten Lager. Es duftete wundervoll nach Kräutern und Blumen in diesem Gemach. »Sieh sie ansagte Klara, und ein Zittern ließ ihre klare, leise Stimme erbeben, »sie ist gestorben. Das Leben tat ihr zu weh. Weißt du, was es heißt, Mädchen sein und leiden? Ich habe ihr einen Brief geschrieben, einen langen, heißen, sehnsuchtsvollen Brief, damals, du weißt, und sie hebt nie mehr die Hand, um mir zu antworten. Sie geht, ohne auf die Frage der Welt: »Warum kommst du nichtgeantwortet zu haben. Wie sie wortlos scheidet: so mädchen- und blumenhaft! Wie lieb sie war. Du als Bruder empfindest das lange nicht so, wie ich als Freundin. Siehst du, wie sie lächelt! Wenn sie noch reden könnte, würde sie sicher freundlich reden. Sie redete streng. Sie hat sich jammernd auf die Lippen gebissen. Das siehst du aber ihrem Mund nicht an. Der Tod muß sie geküßt haben, daß sie immer noch lächeln kann, im Tode! Es war ein tapferes Mädchen. Wie eine Blume ist sie gestorben, die stirbt, wenn sie welkt. Laß uns weiter gehen. In meinem Zauberreich darf man nicht gaffen. Habe ich dir weh getan, sag mal? Nein doch: was ist Schmerzendes an einem so schönen Tod? Ihr ließt sie leiden, das, das war schmerzhaft. Ich will dir nicht weh tun. Komm, jetzt wirst du noch etwas anderes sehenUnd mit diesen Worten ließ sie eine dritte Tür aufspringen, und Simon schaute in ein geräumiges Maleratelier. Er spürte den Geruch von

Der Alte zog die dumpfe Luft ein, die nach wer weiß wie langer Zeit herausströmte, er lächelte verloren. Und dann schloß er die kleine Tür. Aber Diederich, den dies nur mäßig interessierte, sah etwas kommen, das weit mehr Anregung versprach. Es war der Landgerichtsrat Fritzsche: denn er war da.