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Aktualisiert: 15. Juli 2025
Die ersten Jahre: man wagt nicht zu sagen: seine Kindheit, denn dieser Begriff ist irgendwo aus seinem Leben verschollen. Niemals hat er von ihr gesprochen, und Dostojewskis Schweigen war immer Scham oder stolze Angst vor fremdem Mitleid. Ein grauer leerer Fleck ist dort in seiner Biographie, wo sonst bei Dichtern bunte Bilder lächelnd aufsteigen, zärtliche Erinnerungen und ein süßes Bedauern.
An die griechischen Tragiker gemahnt manchmal der Krampf und die Not, dieses Übermaß von Qual in den Menschen, die unter dem Griff des übermächtigen Schicksales sich krümmen, an Michelangelo manchmal durch die mystische, steinerne, unerlösbare Traurigkeit der Seele. Aber der wahre Bruder Dostojewskis durch die Zeiten ist Rembrandt.
Wo immer man tiefer sich eingräbt ins Werk Dostojewskis, überall rauscht als unterste Quelle dieser ganz primitive, fast vegetative fanatische Lebensdrang, das Existenzgefühl, dies ganz urhafte Gelüst, das nicht Glück will oder Leid, die schon Einzelformen des Lebens sind, Wertungen, Unterscheidungen, sondern die ganz einheitliche Lust, wie man sie beim Atmen fühlt.
Aber gerade er ist notwendig für die Einheit von Dostojewskis Persönlichkeit. Wo immer wir bei Dostojewski ein Phänomen nicht verstehen, müssen wir seine Notwendigkeit im Kontrast suchen. Vergessen wir nicht: Dostojewski ist immer ein Ja und Nein, die Selbstvernichtung und Selbstüberhebung, der zur Spitze getriebene Kontrast.
Selbst Michelangelos Gestalten sind linder in ihrer Trauer, und über Dantes Tiefe glänzt der Paradiese seliger Schein. Ist wirklich das Leben nur ewige Nacht in Dostojewskis Werk und Leiden der Sinn alles Lebens? Zitternd beugt sich die Seele über den Abgrund und schauert, nur Qual und Klage zu hören von ihren Brüdern.
Sie wollen nichts von dieser Welt. Genügsame also, Phlegmatiker des Lebens, Indifferente oder Asketen? Im Gegenteil. Die Menschen Dostojewskis sind, ich sagte es ja, Menschen eines neuen Anfangs. Sie haben, bei all ihrer Genialität und ihrem diamantenen Verstand, Kinderherzen, Kindergelüste: sie wollen nicht dies oder jenes, sondern sie wollen alles. Und alles ganz stark.
Denn nichts mißt es dem Maßlosen gemächlich zu, nirgends ähnelt sein Lebensgang dem gut gepflasterten breiten Bürgersteig aller anderen Dichter des neunzehnten Jahrhunderts, immer fühlt man hier eines finstern Schicksalsgottes Lust, sich stark an dem Stärksten zu versuchen. Alttestamentarisch, heroisch und in nichts neuzeitlich und bürgerlich ist Dostojewskis Schicksal.
Aus Leiden scheint Dostojewskis Welt einzig gestaltet. Und doch ist nur scheinbar die Summe alles Leidens in seinen Menschen größer als in jedem anderen Werke. Denn, Kinder Dostojewskis, sind diese Menschen alle Verwandler ihres Gefühles, sie treiben es und übertreiben es von Kontrast zu Kontrast. Und das Leiden, ihr eigenes Leiden ist oft ihre tiefste Seligkeit.
Um einmal die Durchgängigkeit dieser subkutanen, gleichsam unter der Haut fließenden Unterströmungen der Erzählung zu empfinden, versuche man zur Probe einen Roman Dostojewskis in einer der gekürzten französischen Ausgaben zu lesen.
Immer meint man, schon am letzten Grunde eines Entschlusses, eines Begehrens angelangt zu sein, und immer wieder deutet es wieder weiter zurück in ein anderes. Haß, Liebe, Wollust, Schwäche, Eitelkeit, Stolz, Herrschgier, Demut, Ehrfurcht, alle Triebe sind ineinander verschlungen in ewigen Verwandlungen. Die Seele ist eine Wirrnis, ein heiliges Chaos in Dostojewskis Werk.
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