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Aktualisiert: 15. Juli 2025
Ich weiß nie, ob diese Wonnesekunde Stunden dauert, aber glaubt mir, alle Freude des Lebens möchte ich nicht dafür eintauschen.« In dieser glühenden Sekunde geht Dostojewskis Blick über das Einzelne der Welt hinaus und umfaßt in loderndem Allgefühl die Unendlichkeit. Aber was er verschweigt, ist die bittere Züchtigung, mit der er jede dieser krampfhaften Annäherungen an Gott bezahlt.
Während die anderen epischen Künstler, insbesondere Goethe, mehr die Natur als den Menschen nachzuahmen scheinen und das Geschehnis organisch wie eine Pflanze, bildhaft wie eine Landschaft genießen lassen, erlebt man einen Roman Dostojewskis wie die Begegnung mit einem sonderbar tiefen und leidenschaftlichen Menschen.
Das Schicksal bedarf seiner nicht mehr, der grausam weise Wille hat alles erreicht, aus seiner Existenz das Höchste gewonnen an geistiger Frucht: achtlos wirft es nun die leere Hülse des Körpers hin. Durch diese sinnvolle Grausamkeit wird Dostojewskis Leben zum Kunstwerk, seine Biographie zur Tragödie.
Alle haben sie die seelische Übersichtigkeit Dostojewskis, alle sind sie Hellseher, Telepathen, Halluzinanten, alle pythische Menschen, und alle durchtränkt bis in die letzten Tiefen ihres Wesens von psychologischer Wissenschaft.
O die Wollust, mit der sie darum mit dem Geständnis spielen, wie sie es verbergen und Raskolnikoff vor Porphyri Petrowitsch immer heimlich zeigen und wieder verstecken, und dann wieder, wie sie sich überschreien, mehr Wahrheit bekennen als wahr ist, wie sie in rasendem Exhibitionismus ihre Blößen aufdecken, wie sie Laster und Tugend vermengen hier, nur hier, im Ringen um das wahre Ich sind die eigentlichen Spannungen Dostojewskis.
Da wird das typische Schicksal seiner Menschen deutsam und erschütternd, und restlos erleben wir im Mysterium der Selbstgeburt den Mythos Dostojewskis vom neuen Menschen, vom Allmenschen in jedem Irdischen. Das Mysterium der Selbstgeburt: so nenne ich in der Kosmogonie, in der Weltschöpfung Dostojewskis die Erschaffung des neuen Menschen.
Aber doch die Frage muß beantwortet sein , warum wirkt trotz solcher dämonischer Vollendung der Wahrheit Dostojewskis Werk, dieses irdischeste aller Werke, doch wiederum unirdisch auf uns, als Welt zwar, aber doch wie eine neben oder über unserer Welt, nur nicht sie selbst? Warum stehen wir innen mit unserem tiefsten Gefühl und sind doch irgendwie befremdet?
Erst das Wort ist der feuchte Tau, der ihre Seele befruchtet: sie tun im Gespräch, wie phantastische Blüten, ihr Inneres auf, zeigen ihre Farben, die Pollen ihrer Fruchtbarkeit. In der Diskussion erhitzen sie sich, wachen sie auf aus ihrem Seelenschlaf, und erst gegen den wachen, gegen den leidenschaftlichen Menschen, ich sagte es ja schon, wendet sich Dostojewskis künstlerische Leidenschaft.
Und hier ist eine jener erhabenen Umwertungen Dostojewskis: eben weil er =nicht= glaubt und die Qual dieses Unglaubens kennt, weil, nach seinem eigenen Worte, er die Qual immer nur für sich liebt und Mitleid hat mit den andern darum predigt er den andern den Glauben an einen Gott, den er selbst nicht glaubt.
Nie gerät man darum bei den Romanen Dostojewskis zur Rast, nie in die sanfte, musikalische Rhythmik des Lesens, nie läßt er einem ruhig den Atem rinnen, immer zuckt man wie unter elektrischen Schlägen beunruhigt auf, heißer, brennender, unruhiger, neugieriger von Seite zu Seite. Solange wir in seiner dichterischen Gewalt sind, werden wir ihm selber ähnlich.
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