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Aktualisiert: 24. Juni 2025
Fräulein Güssow stand neben der Vorsteherin und hatte ihre Freude an den jungen Mädchenblüten. An Ilse hing ihr Auge am zärtlichsten. Wie reizend hatte sich ihr Liebling entfaltet! Körperlich und seelisch. Wie viel gleichmäßiger war das stürmische Kind geworden. Wo war der böse Trotz geblieben?
Der Gedanke, daß sie zurück müsse nach Moosdorf, behielt die Oberhand. Sie fing an, ihre Sachen aus der Kommode zu räumen und war eben im Begriff, das Mädchen zu beauftragen, ihr den Koffer vom Boden herabzuholen, als Nellie und gleich darauf Fräulein Güssow in das Zimmer traten. Erstaunt blickte letztere auf die umherliegenden Sachen. »Nun, Ilse, was soll denn das bedeuten?« fragte sie.
Fräulein Güssow hatte das Gefühl, als sei es besser gewesen, wenn die Vorsteherin ihren berechtigten Tadel in einer andern Weise ausgesprochen hätte, – doch das war nun einmal geschehen und nicht zu ändern. »Du irrst,« entgegnete sie, »nicht Fräulein Raimar, sondern du selbst hast dich lächerlich gemacht.
Der Mond trat plötzlich hinter dem dunklen Gewölk hervor und verklärte mit seinem blassen Schimmer die lieblichen, thränenvollen Gesichter der Freundinnen wie zwei betaute Rosen, die an einem Stengel erblüht sind. – Es war ein trübseliger Sonntag, der dem Ballfeste folgte. Als die junge Schar, noch ganz erfüllt von der Erinnerung an dasselbe, beim Morgenkaffee saß, trat Fräulein Güssow ein.
Ilse gab keine Antwort, sie fühlte sich so unglücklich, daß selbst der liebevolle Empfang der jungen Lehrerin kein Echo in ihrem Herzen fand. »Möchtest du auf dein Zimmer gehen?« fragte diese. Ilse nickte stumm, sie hielt noch immer das Tuch gegen die Augen gedrückt. »Nellie!« rief Fräulein Güssow, »gehe mit Ilse hinauf und sei ihr beim Auspacken ihrer Sachen behilflich.
Ilse nahm es ihr fort. »Laß liegen,« sagte sie, »es ist mein Strumpf!« Ehe noch Fräulein Güssow sie wegen ihres unpassenden Wesens zurechtweisen konnte, trat Fräulein Raimar in das Zimmer. Sie ging von einer Schülerin zur andern und prüfte deren Arbeiten, sie that dies zuweilen, um sich an den Fortschritten zu erfreuen, oder auch zu tadeln, wenn es nötig war.
Rosi überhörte diese vorlaute Bemerkung. »Kommt, setzen wir uns an die Tafel mit unsren Handarbeiten,« fuhr sie fort, als das Gas angezündet war, »wir haben die Erzählung von Ottilie Wildermuth noch nicht zu Ende gehört. Willst du heute vorlesen, Orla?« Aber es kam nicht dazu. Gerade als Orla beginnen wollte, trat Fräulein Güssow mit der kleinen Lilli an der Hand ein.
Fräulein Güssow entfernte sich, mit dem Lichte in der Hand, sehr schnell aus der Thür – hatte sie vielleicht die unselige Stiefelspitze entdeckt? »Wir wollen Ilses Ruhe nicht stören,« sagte sie, »warum soll die Aermste auch noch ermuntert werden?« »Sie haben recht, wir wollen sie nicht stören. Aber sie hat einen wunderbar festen Schlaf. Nun geht zur Ruhe, Kinder.
Das Kind lief nämlich von einer zur andern, treppauf, treppab und fragte jede Viertelstunde, ob es noch nicht dunkel würde, und ob das liebe Christkindl noch nit bald käm. – Endlich, endlich brach der Abend herein. Die Vorsteherin und Fräulein Güssow verweilten schon seit zwei Uhr in dem großen Saale, und in einer Klasse, die dicht daneben lag, saßen erwartungsvoll die Pensionärinnen.
Ilse wunderte sich selbst darüber, wer weiß aber, ob ihre Selbständigkeit sich so plötzlich entwickelt hätte, wenn die hilflose Art und Weise ihrer Begleiterin dieselbe nicht herausgefordert hätte. – Ganz stolz hob sie den Kopf bei diesem Lobe und wünschte: wenn Fräulein Güssow doch gleich dasselbe hören könnte!
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