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Aktualisiert: 23. Mai 2025
Simon meinte in die Augen der Frau wie in eine ferne, versunkene Welt zu blicken, als ihm schon eine wunderbar bekannte Stimme zurief: »Ach, Simon, du bist es! Komm doch herauf!« Es war Klara Agappaia. Er erblickte sie, als er hinaufgesprungen war, in einem schweren, dunkelroten Kleid am Fenster sitzen. Die Arme und die Brust waren nur halb von dem herrlichen Stoff bedeckt.
Als er bereits im Bett lag und die Augen zuschließen wollte hörte er plötzlich einen Schuß fallen. Erschreckt bis zum äußersten sprang er auf, riß das Fenster auf und schaute hinaus. »Was ist das,« rief er hinunter. Aber nur seine eigene Stimme widerhallte vom Walde her. Der Wald war in eine schauerliche Totenstille gehüllt. Plötzlich vernahm er, wie unten eine Männerstimme sprach: »Es ist nichts, schlafen Sie. Verzeihen Sie, daß ich Sie erschreckt habe. Ich pflege des Nachts öfters im Walde zu schießen, es macht mir Vergnügen, so den Schuß knallen und widerhallen zu hören. Der eine pfeift gern eine Melodie, um sich, wenn alles so still um ihn ist, zu zerstreuen. Ich schieße. Tragen Sie Sorgfalt, daß Sie sich nicht erkälten so am offenen Fenster. Die Nächte sind jetzt noch kühl. Gleich werden Sie wieder schießen hören und dann werden Sie sich wohl nicht mehr ängstigen. Ich erwarte noch meine Frau. Gute Nacht. Schlafen Sie wohl.« Simon legte sich wieder nieder. Dennoch fand er keinen Schlaf. Die Stimme des Mannes hatte ihm so merkwürdig geklungen, so ruhig, und das eben war das Eigentümliche. So eisig, eigentlich ganz gewöhnlich freundlich, aber eben darin lag das Eisige. Es mußte etwas dahinter stecken. Aber vielleicht kannte er nur dieses Mannes Gewohnheiten nicht. »Es gibt,« dachte er für sich, »heutzutage ja sonderbare Käuze genug. Das Leben ist ja so langweilig, das fördert das Anwachsen der Käuze. Man wird, ehe man es recht weiß, zum seltsamen Kauz. So mag auch dieser Agappaia gar nichts Wunderliches mehr in seinen Wunderlichkeiten sehen. Man nennt es einfach Sport und schlägt alle fremden Gedanken damit nieder. Immerhin, ich will jetzt versuchen, zu schlafen.« aber es kamen andere Gedanken, die alle mit Nächten zu tun hatten. Er dachte an kleine Kinder, die nicht in dunkle Zimmer zu gehen wagen, die nicht einschlafen können im Dunkel. Die Eltern prägen den Kindern die fürchterliche Angst vor dem Dunkel ein und schicken dann zur Strafe die Unartigen in stille, schwarze Kammern. Da greift nun das Kind im Dunkel, im dicken Dunkel und stößt nur auf Dunkel. Des Kindes Angst und das Dunkel kommen ganz gut miteinander aus, aber nicht das Kind mit der Angst. Das Kind hat soviel Talent, Angst zu haben, daß die Angst immer größer wird. Sie bemächtigt sich des kleinen Kindes, denn sie ist etwas so Großes, Dickes, Schweratmendes; das Kind würde zum Beispiel gern schreien wollen, aber es wagt es nicht. Dieses Nicht-Wagen vergrößert noch seine Angst; denn etwas Furchtbares muß da sein, wenn man nicht einmal vor Angst Angstschreie ausstoßen darf. Das Kind glaubt, jemand horche im Dunkel. Wie schwermütig einen das macht, sich solch ein armes Kind vorzustellen. Wie die armen
Klara war sehr entzückt, wer hätte es an diesem Abend nicht sein können. Nur Herr Agappaia blieb still und sagte kein Wort.
Ich fürchte mich nicht, Sie in meinem Hause zu haben. Sie haben ehrliche Augen. Ist Ihr Bruder älter als Sie?« »Ja, er ist älter und ein viel besserer Mensch, als ich.« »Sie sind ein braver Mensch, daß Sie das sagen dürfen.« »Ich heiße Simon und mein Bruder heißt Kaspar.« »Mein Mann heißt Agappaia.« Sie erbleichte, als sie das sagte, doch sammelte sie sich rasch und lächelte.
Sie war ganz feurig geworden im Sprechen. »Habe ich auch etwas Vernünftiges gesprochen?« fragte sie Kaspar. Kaspar antwortete nicht. Sie waren längst aus dem Theater heraus und befanden sich auf dem Nachhauseweg. Simon war mit Herrn Agappaia ein Stück vorausgegangen. »Erzählen Sie mir etwas,« bat Klara ihren Begleiter.
»Du benimmst dich seltsam,« sagte Agappaia, der plötzlich unter der Haustüre erschien, eben, als sie eintreten wollten, zu seiner Frau. Diese schwieg, als hätte sie nichts gehört. Dann legten sie sich alle schlafen.
Höre einmal.« »Was denn?« »Wir werden nicht mehr lange in diesem Hause wohnen. Agappaia hat alles verspielt und verloren. Er ist in die Hände von Schwindlern geraten. Das Haus ist bereits verkauft und zwar an deinen Frauenverein für Volkswohl und Mäßigkeit. Die Damen gründen hier ein Waldkurhaus für das arbeitende Volk.
In diesem Tone würde sie fortgeredet haben, aber Simon wehrte ihr ab, ganz sanft, wie es seine Art war. Er sagte, er wolle einen Spaziergang machen. Sie sah ihm nach, wie er davonging, aber er bekümmerte sich nicht im geringsten um ihren Blick. »Ich diene ihr, wenn sie mich zu einem Dienst braucht; selbstverständlich!« sagte er zu sich. »Ich würde wahrscheinlich mein Leben hinwerfen für sie, wenn es ihr diente zu ihrem Wohlsein, es zu fordern; sehr wahrscheinlich! Ja, es ist ziemlich sicher, daß ich das täte, gerade für so eine. Sie hat so etwas Derartiges. Mit einem Wort: sie beherrscht mich natürlich, aber was ist da weiter zu grübeln. Ich habe an andere Sachen zu denken. Zum Beispiel heute morgen bin ich glücklich, ich spüre meine Glieder wie feine, geschmeidige Drähte. Wenn ich meine Glieder spüre, bin ich glücklich, und da denke ich an keinen Menschen auf der Welt, weder an ein Weib, noch an einen Mann, einfach an nichts. Ach, ist das schön hier im Wald so am sonnigen Morgen. Ist das schön, frei zu sein. Mag jetzt eine Seele an mich denken, mag sie, oder mag sie nicht, jedenfalls denkt die meinige an gar nichts. Ein solcher Morgen weckt immer eine gewisse Brutalität in mir, aber das schadet nichts, im Gegenteil, ist die Grundlage zum selbstlosen Naturgenuß. Herrlich, herrlich. Wie das Gras in der Sonne blitzt. Wie der weiße Himmel um die Erde brennt. Es kann ja auch heute noch kommen, dieses Weichwerden. Wenn ich an jemand denke, dann tu ich es heftig. Aber köstlicher ist es, so wie ich jetzt bin. Lieblicher Morgen. Soll ich dir ein Lied singen. Ja, du bist selber ein Lied. Viel lieber möchte ich schreien und laufen wie der Teufel, oder Schüsse abknallen wie der dumme Teufel Agappaia.«
Agappaia hat sich einer Gesellschaft von Asienforschern angeschlossen und wird bald wegreisen, um dort irgendwo in Indien eine versunkene griechische Stadt zu entdecken. An mich denkt er schon gar nicht mehr. Wie seltsam, es kränkt mich gar nicht einmal. Mein Mann war überhaupt nie fähig, mich zu kränken. Genug!
»Gehen Sie nur zu Bett. Wenn es schlimmer wird, werde ich Sie wecken,« sagte Agappaia. Es wurde nicht schlimm. Am andern Morgen war Klara wieder munter und wußte nichts davon, was mit ihr geschehen war. Sie hatte etwas Kopfschmerzen, das war alles. Klara fühlte sich himmlisch.
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