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Die wahrhafte Überzeugung durchdringt ihn jetzt, die grüne Spange habe der Gradiva angehört, und sie sei das Mädchen gewesen, das in der Umarmung ihres Geliebten gestorben sei. Die quälende Eifersucht, die ihn dabei erfaßt, beschwichtigt er durch den Vorsatz, sich am nächsten Tage bei der Gradiva selbst durch das Vorzeigen der Spange Sicherheit wegen seines Argwohnes zu holen.

Solche Fortsetzung fanden seine Phantasien über die Gradiva durch die Nachwirkung dieses Traumes, daß er sie jetzt erst wie eine Verlorene betrauerte.

Wir aber wissen jetzt, von kurzer Verwirrung geheilt, daß die Gradiva ein leibhaftiges deutsches Mädchen ist, was wir gerade als das Unwahrscheinlichste von uns weisen wollten.

Den führte er am selben Tage noch aus, packte seinen leichten Handkoffer, warf beim Abendanbruch noch einen bedauerlichen Verabschiedungsblick auf die Gradiva, die, von den letzten Sonnenstrahlen überflossen, behender denn je über die unsichtbaren Trittsteine unter ihren Füssen auszuschreiten schien, und fuhr mit dem Nachtschnellzug in südlicher Richtung davon.

Aber das Problem der »leiblichen Beschaffenheit« der Gradiva, das ihn diesen ganzen Tag über verfolgt, kann doch seine Abstammung von der erotischen Wißbegierde des Jünglings nach dem Körper des Weibes nicht verleugnen, auch wenn es durch die bewußte Betonung des eigentümlichen Schwebens der Gradiva zwischen Tod und Leben ins Wissenschaftliche gezogen werden soll.

»Irgendwo in der Sonne sitzt die Gradiva, fängt Eidechsen und spricht dazu« an welchen Eindruck des Tages klingt dieser Teil des Traumes an? Unzweifelhaft an die Begegnung mit dem älteren Herrn, dem Eidechsenfänger, der also im Traum durch die Gradiva ersetzt ist. Der saß oder lag an »einem heißbesonnten« Abhang und sprach auch Hanold an. Auch die Reden der Gradiva im Traum sind nach der Rede jenes Mannes kopiert. Man vergleiche: »Das vom Kollegen Eimer angegebene Mittel ist wirklich gut, ich habe es schon mehrmals mit bestem Erfolg angewendet. Bitte, halten Sie sich ganz ruhig

Das, was Hanold nicht erinnern konnte, war gewiß nichts anderes als das Wort der vermeintlichen Gradiva, glücklicheren Mädchen bringe man im Frühling Rosen, als sie die weiße Gräberblume von ihm verlangte. In dieser Rede lag aber eine Werbung verborgen. Was mag das nun für ein Eidechsenfang sein, der dieser glücklicheren Kollegin so gut gelungen?

Wagen wir es, auch diese Regel auf unseren Traum anzuwenden, so ergäbe sich die Übersetzung: die Gradiva fängt Eidechsen wie jener Alte, versteht sich auf den Eidechsenfang wie er. Verständlich ist dieses Ergebnis gerade noch nicht, aber wir haben ja noch ein anderes Rätsel vor uns.

Der Träumer befindet sich in Pompeji an jenem Tage, welcher der unglücklichen Stadt den Untergang brachte, macht die Schrecknisse mit, ohne selbst in Gefahr zu geraten, sieht dort plötzlich die Gradiva schreiten und versteht mit einem Male als ganz natürlich, da sie ja eine Pompejanerin sei, lebe sie in ihrer Vaterstadt und, »ohne daß er's geahnt habe, gleichzeitig mit ihm«. Er wird von Angst um sie ergriffen, ruft sie an, worauf sie ihm flüchtig ihr Gesicht zuwendet.

Zweierlei Erfolg trug ihm dieser kühne Versuch ein, zunächst die freudige Überzeugung, daß er eine unzweifelhaft wirkliche, lebendige und warme Menschenhand berührt, dann aber einen Verweis, vor dem er erschrocken von seinem Sitz auf der Stufe aufflog. Denn von den Lippen der Gradiva tönte es, nachdem sie sich von ihrer Verblüffung erholt hatte: »Du bist doch offenbar verrückt, Norbert Hanold