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Du mußt Frau Pfarrer sagen.< Die kleine Barbara lachte, und nun sah sie womöglich noch liebreizender drein, denn zwischen den tiefroten Lippen blitzten gesunde Zähne, und in den runden Backen kamen Grübchen zum Vorschein. Ich ging mit den Kindern ins Haus und war beinahe so eifrig wie mein Annele im Vorführen der Puppen und andern Herrlichkeiten. Und ich gewann das Kind mit jeder Minute lieber.

Sie sah gar nicht ordentlich drein, wie sonst, wenn sie zu uns ins Pfarrhaus kam, und mein Annele tat dies denn auch Frau Schäufele gleich mit klaren Worten kund.

Wieder ein tiefer Seufzer, dann, da ihr offenbar nichts Lobenswertes mehr einfallen wollte, wiederholte sie die Worte: >Ich will ihm jetzt danken, weil du so eine nette Mutter bist.< Am nächsten Tag führte ich meinen längst geplanten Besuch beim Nachbar Schäufele aus, und nun wurde es mir klar, warum Annele in einen Lobpreis meiner Tugenden ausgebrochen war.

Einmal kam Annele mit dem kleinen Ernst zu Besuch. Ich fragte, ob sie Barbara besuchen werde, aber sie verneinte unter Tränen. Da bat ich Frau Schäufele, lieber nichts von meinen Gästen verlauten zu lassen, denn man war nie ganz klar über Barbaras Geisteszustand. Nach Tagen völliger Apathie, in denen sie niemand zu kennen schien, konnte sie plötzlich wieder vernünftig fragen und antworten.

Aber als das Kind auch während ich das Zimmer in Ordnung brachte, wortlos in seinem Bette saß, fiel es mir auf, und zugleich kam es mir zum Bewußtsein, daß sie noch kein Wort von ihrem Besuch bei Schäufeles berichtet hatte. Aber ich fragte nicht. Ich wußte, über kurz oder lang würde das Redebächlein schon wieder plätschern. Das Annele saß ganz steif da und verfolgte jede meiner Bewegungen.

Später habe ich manchmal gedacht, daß es besser gewesen wäre, ich hätte die Freude des Kindes am Wunderbaren und Geheimnisvollen nicht so sehr genährt. Ich glaubte, sie habe das kleine Freudenlicht in ihrem Alltag nötig, und ahnte nicht, daß es zur verzehrenden Flamme werden würde. Eines Nachmittags hatte ich Annele erlaubt, in Barbaras Elternhaus hinüberzugehen.

Zwar meiner Versicherung, Annele werde ihr trotz all des Neuen treu bleiben, schenkte sie allmählich Glauben. Aber die Angst, Anneles Liebe zu verlieren, war nicht die einzige Not, die sie drückte. Ach, in den Wochen des Einsamseins hatte sich ein ganzer Berg unruhiger, unzufriedener Gedanken in dem Kinde angesammelt. Warum durfte sie nicht so viel Schönes und Neues erleben?

Sie halten nur die Namen fest, aber vom Wesen, von den Gedanken ihrer Träger berichten sie nichts. Barbara schien ihren Kummer allmählich zu verwinden; aber so oft Annele in die Ferien kam, lebte er wieder neu auf. Es konnte dann geschehen, daß sie sich in der trotzigen Annahme, sie passe nicht mehr zu Annele, ferne hielt.

Am nächsten Tag holten sich die beiden bei der alten Maier ein paar rührende Bildchen: Engelsköpfchen, Vergißmeinnichtkränze und dergleichen. Die wurden in die Album geklebt, und jede schrieb der Freundin einen sinnigen Vers dazu. Was Annele geleistet, weiß ich nicht mehr.

Ich konnte nicht anders, ich mußte das Kind in meine Arme ziehen. Mein Annele mit ihrem scharfen Blick hat mir wohl angesehen, daß ich das Kind nicht nur in die Arme, sondern ins Herz schloß. Sie drängte sich plötzlich an mich, gab mir einen schallenden Kuß und erklärte in sehr bestimmtem Ton: >Du, Barbara, das ist aber meine Mutter!