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Aktualisiert: 16. Juni 2025
Die Art, wie die Bauersleute um die Sprechende herumstehen, zuhören, kommt dem Stabsarzt bekannt vor. >Das Ganze sieht improvisiert aus.< Der Stabsarzt möchte hingehen. >Und vielleicht fünf Minuten lang sprechen . . . Drei Minuten Zeit könnte ich mir vielleicht nehmen.< Das Stöhnen der dreihundertfünfzehn Soldaten klingt zusammen in einen Ton. Im Wagen der Irrsinnigen platzt eine Lachsalve.
»Ja, das stimmt«, sagt der Stabsarzt, der in vielen >Metzgerküchen< und >Tanzsälen< drei Jahre lang knapp hinter der Front amputiert hat und, von einem Plane, von einem Entschlusse, von einer scharf umrissenen Absicht plötzlich erleuchtet, sofort nach dem Erwachen aus der Ohnmacht Urlaub verlangt und erhalten hat. Der Stabsarzt liebt die Nebenwege und Winkelzüge nicht.
Der Stabsarzt wird von der Alarmglocke aus dem Wagen der Irrsinnigen herausgerissen. Und springt, schneller als der Zug fährt, in der Fahrtrichtung den Gang vor, in einen Wagen. Und hinein in die Blutlache am Boden. Der von den Schmerzen auf die Pritsche festgenagelte, reglos liegende Soldat kann nur mit seinen Augen den Stabsarzt aufmerksam machen auf den Kameraden, für den er geläutet hat.
Der Stabsarzt, tief und treu bei der Arbeit und innerlich erleuchtet von der Gewißheit: >Werden alle an Ketten gelegt werden<, sagt weich: »Meine Kollegen dürfen halt das Klosett nicht benützen; sie müssen hinters Haus gehen.« Der bärtige Bauer winkt: »Pst!« »Das sind nur Reflexschmerzen«, beruhigt der Sanitäter.
Jeden Tag werden vier bis sechs Tote hinausgetragen. Frisches Stroh, frische Leintücher. Frische Verwundete. Kein Halm auf den Zwischengängen. Ordnung. Der Gliederkübel in der Ecke füllt sich. Und leert sich pünktlich um sechs Uhr abends. Die Strohsäcke liegen genau ausgerichtet in linealgeraden Reihen. Der Stabsarzt sägt. In die Metzgerküche kommt keine Zeitung. Hier wird gelitten.
Die Absicht, die den Stabsarzt veranlaßt, in Fühlung zu bleiben mit den dreihundertfünfzehn revolutionierten, invaliden Soldaten, die in Berliner Irrenhäusern, Krankenhäusern und zum Teile bei ihren Angehörigen untergebracht sind, führt ihn auch mit dem Kellner zusammen.
»Wenn ein Bauer glaubt, er könne, nur weil er kräftiger ist, einem schwächeren Bauern Land wegnehmen, dann ist er kein Ehrenmann, sondern ein Räuber.« Der Stabsarzt vernimmt zustimmende Antworten. Und einen lauten Zuruf. Sein Staunen wird zu Befriedigung. Seine Absicht steht groß und ausführbar vor ihm. ». . . natürlich, da haben Sie ganz recht, natürlich ist der Bauer außerdem noch dumm.
Die Hauptstraße eines Städtchens, an dem das Spital vorbeikriecht, ist schwarz von langsam sich bewegenden Menschen. >Das Leid zog durch das ganze Volk, ließ sich in jedem Hause nieder. Das Leid entfesselt das Ereignis.< Im Stabsarzt läßt sich die Stille nieder, voll und schön wie die Nacht, aus der das Frührot bricht.
Und der Stabsarzt denkt: >Man kann nur auf die Sekunde warten, lauern, in der das Leid so ungeheuer geworden ist, daß das Volk nicht mehr nur leidet, sondern auch darüber nachzudenken beginnt, was und wer dieses ungeheure Leid verursacht hat. Man muß fühlen, wann dieser Augenblick da ist. Dann muß man die Sekunde aufreißen.
Meistens schläft er; er schläft ein mit der Verszeile: >Was nützen mir die schönen Auen.< Er ist nicht der einzige, dem der Stabsarzt beide Arme und beide Beine amputiert hat; aber alle anderen sind gestorben. Das Unikum ist am Leben geblieben.
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