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Aktualisiert: 19. Juni 2025
Mitten in der Nacht erhob er sich. Mattes Licht klebte an den Scheiben; er sah die schlummernden Gesichter der Kameraden, einige glatt und heiter, einige wie im Schmerz verzogen; ein Seufzen von irgendwo, ein geflüsterter Laut wieder; draußen rauschten Bäume, es war so schwül, so eigen; auf den Zehen schlich er zum Fenster, öffnete es und beugte sich hinaus, weit, durstig, beklommen, träumend halb, die Welt war wie ein Wurm, der im Kriechen müd geworden ist und regungslos liegt, der Himmel oben wie eine zugemachte Tür. »Was tust du, Oberlin?« fragte eine leise Stimme.
Aber ohne Spaß, Oberlin, und auch ohne Groll, sag mir: was bist du für ein Mensch? Wir haben jetzt wochenlang wie zwei Kameraden verkehrt, du warst mein Gast, ich der deine, aber ich weiß wahrhaftig nicht, was du für ein Mensch bist. Ein Dummkopf oder ein Narr? Ein Schwächling oder ein Verräter? Möcht es gerne wissen. Nur damit man sich danach richten kann.«
Seine Herzlichkeit und Zartheit, Richters warme Art drangen zu Oberlin; mit aufleuchtenden Blicken reichte er ihnen die Hand; sie begriffen; sie waren mit der Erklärung zufrieden. Eine Stunde später war die Siedlung Schauplatz fiebernder Aufregung. Kurz nach der Heimkehr schon hatte man Lucian mit einem Zeitungsblatt in der Hand auffallend bleich in die Kanzlei eilen sehen.
Oberlin suchte Lucians Nähe; wenn er Fink verlassen hatte, spürte er es wie Durst nach Lucian. Doch Lucian schien bedrängt. Es war bisweilen, als horche er, warte er; nicht auf Gutes, die Stirn hatte die finstere Falte. Er schützte gehäufte Arbeit vor, um einem Zusammensein auszuweichen, aber im Druck seiner Hand war die herzlichste Versicherung.
Aber stets, wenn sie der einen lauschte und sich dorthin kehrte, von wo sie kam, rief die andere sie um desto dringlicher an, bis sie schließlich voll Angst, die Hände an die Ohren pressend, entfloh. In einem Tropfen Blut Der Tag der Rückkehr erschien Oberlin dunkelschächtig wie ein Brunnen. Die Mutter sei ausgegangen und käme vor Abend nicht nach Hause, wurde ihm gesagt.
Dietrich stieß einen heiseren Zornschrei aus, stolperte im selben Moment und wäre gestürzt, wenn ihn Lucian nicht in seinen Armen aufgefangen hätte. Sie schauten sich an, in stürmischer Blutwallung beide; Oberlin keuchend, die Wangen glühend; der alternde Mann blaß von der Anstrengung, doch seiner Überlegenheit und Stärke sich bewußt.
Als er Dietrich umfangen hatte, lächelte er; es war jenes finster-zärtliche Lächeln, das wie eine Bresche seiner Einsamkeit war und sein Gesicht leidend und leidenschaftlich machte. Aber der Blick hatte etwas Mütterliches, Froh-Ergriffenes; in einer rätselvollen Regung küßte er den Jüngling auf den Mund. Mitten in der jagenden Hitze überrieselte es Oberlin kühl.
Was sich jetzt abspielen wird, ist so gräßlich und ... so gewöhnlich.« »Nicht auskneifen, Oberlin,« erwiderte Georg Mathys; »wie meinst du das: gewöhnlich? Ja, ich verstehe, aber das Gewöhnliche ist ja ein Trost. Schon ist Zeit verflossen, Menschen haben geredet, Tatsachen sind festgestellt, und das Ungeheure wird ans Alltägliche angehängt. Das ist gut; wie sollte man sonst damit fertig werden?«
Jetzt blickte er Oberlin voll ins Gesicht. »Und du,« sagte er langsam, indem er beide Hände auf Dietrichs Schultern legte, »du gehorche nur. Du sollst gehorchen. Aber merk dies: vielleicht kommt der Tag, bald oder nicht bald, an dem kein anderer Mensch für dich da sein kann als ich. Dann mußt du mich zu finden wissen.« Oberlin senkte den Kopf.
Dorine Dorine Oberlin war vierzig Jahre alt. Sie hatte eine Jugend im Sinn von Freiheit und Überschwang nicht gelebt, daher fühlte sie dieses Alter nicht als Abstieg und nicht als Verarmung, sondern als Ergebnis eines natürlichen Prozesses, der sie weder zur Rückschau zwang, noch zum Bedauern.
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