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Bewegungen auf der Bühne Noch schnell, ehe das verbesserte moderne Theater die alten Gebräuche gänzlich übermalt hat, stelle ich fest: sie waren lasterhaft, doch darum nicht minder interessant ... Namentlich muß gesagt werden: die tiefe Kniebeuge hatte damals eine viel ausgedehntere Verwendung, und so ist es ja glücklich noch jetzt an den meisten Theatern außerhalb berlinischer Neuerungen. Die tiefe Kniebeuge wird ausgeführt, wenn zwei oder drei auf der Bühne beisammenstehen und »Das Geheimnis« an zitternden Handflächen vorbei einander zuflüstern. Noch tiefere Kniebeuge bedeutet dann »Verschwörung«. Und mit gänzlich eingeknickten Beinen, beinahe kriechend nur, bewegt sich der Schauspieler älterer Konvention auf dem Erdboden weiter, die Hände weit von sich gereckt, wenn er Bericht gibt, wie es bei der »Verfolgung« zugegangen ist. Wohlgemerkt, wenn er wirklich auf der Bühne verfolgt, bedarf er keiner solchen Aufwendungen von Beweglichkeit. Nur Berichte müssen so ausdrucksvoll-anstrengend gespielt werden ... Eben an solchen Gesetzen jenseits der Realität war, ist die mittelmäßige Schauspielkunst überreich. Man könnte riskieren: nur der mittelmäßige Schauspieler ist Schauspieler, denn nur er folgt Gesetzen, die nicht aus dem ganz fremden Rayon der Naturbeobachtung stammen, sondern immanent aus dem Wesentlichen des Theaters. Der gute Schauspieler =stellt= etwas =dar=, der mittelmäßige =ist= etwas. Durch den guten Schauspieler hindurch, wie durch einen Kristall, bleibt der Blick ins Dasein, in die Historie offen. Die Vortrefflichkeit eines Schauspielers ist Durchsichtigkeit. Und den ganz vortrefflichen sehe ich überhaupt nicht mehr. Symbol und Symbolisiertes sind in eins gefallen ... Der Mime in Schablonenmanier hingegen hat etwas Materielles bewahrt. Er lenkt ab von dem Helden, den er geben will. Je schlechter er wird, desto mehr sieht man ihn, desto deutlicher tritt er aus dem Bilde ... wie Gespenstererscheinungen im Kinematographen. Schließlich werden seine Gesten ein selbständiges Objekt, würdiger der Beobachtung als sogar Shakespeares unerreichbarer Jago, den sie verdunkeln und in Vergessenheit bringen ... Mit Recht! Denn würde Jago, wenn er jetzt lebendig aufträte, auch es verstehen, in so interessant-allgemeingebräuchlicher Weise sein Trinklied zu brüllen, seinen Becher zu heben. Theater-Becher eines Theater-Trinklieds werden nämlich immer so gehoben: zuerst beschreiben sie einen großen, wagerechten Kreis durch die Luft, dann fliegen sie empor, dann an den Mund in halbe Höhe, und während sie sich senken, muß die linke Hand aufsteigen mit gestrecktem Zeigefinger, der erst, wenn der Becher geleert ist, zu den andern Fingern einknickt. Nicht wahr?... So sitze ich oft im Theater und nichts freut mich als diese eingehenden Studien, die ich mit ziemlichem Erfolge betreibe. Denn ich weiß jetzt schon, wie einfach »ländliche Liebeswerbungen« darin sich ausdrücken, daß man dem begehrten Mädchen mit dem Oberarm in den Rücken reibt und schließlich schmunzelnd sie zur Seite wegstößt. Ich weiß, daß »träumerisch verliebte Dirndl« ihre Wangen an zwei Finger stützen, das Gesicht etwa wie einen dicken Federstiel in die Hand nehmen. Diese Kenntnisse verdanke ich den vielen Volksstücken, die ich gesehen habe ... Dagegen aus dem klassischen Kurs stammt meine Erfahrung, daß Wallensteins Offiziere im Kriegsrat stets nur die Kante der Sessel zu beschweren pflegten, das eine Bein geknickt, das andere nachgezogen, wie im Lauf ... Noch hübscher sind Opern, hier bleibt das Spiel noch ergiebiger in seinen Grenzen autonomer Natur-Unwahrheit. Nebenbuhlerinnen zerren einander erst in die rechte, dann die linke Bühnenecke; denn die Nebenbuhlerinnen-Arie hat zwei Strophen und so viel Haß will symmetrisch verteilt sein. Jeder Feind wird mit »Verräter« angefaucht. Vom Geliebten aber heißt es: »Ihn lieben ist süßer GewinnJe koketter eine Zofe, desto mehr neigt sie sich lächelnd ins Publikum, Finger an der Lippe. Selbst der verabscheute Bewerber, der im nächsten Moment für immer abgewiesen werden wird, darf noch im Singen Liebchens Arm umschmeicheln. Was man im Leben für ein Zeichen nicht unbeträchtlicher Gunst halten würde, hier ist es nichts. Und beim Stelldichein ein Kuß ohne nähere Anpressungen, im Leben nichts, hier bleibt es alles ... Wie billige ich diese Unterschiede! Wie liebe ich es, wenn ein Akteur, an der Rampe nicht benötigt, jetzt zurücktritt, im Hintergrunde einen andern fest bei den Händen packt, ihn nicht mehr losläßt und tut, als habe er Wichtigstes mit ihm zu besprechen, indessen er angespannt nach vorn horcht und prompt auf sein Stichwort wieder vorstürmt. Wie liebe ich Statisten, gestikulierende, einschlafende, jubelnde, Chormädchen, die jemanden in einer Loge suchen. Und auch dich, o illustrissimer gastierender Tenor und Millionär, der trotz ihrer geringen Gage die Edelleute seines Festes mit »Freunde« anspricht, bekannt mit ihnen tut, liebevoll einem die Schulter beklopft, dann einen andern bevorzugt, an die Rampe führt und seinen Arm, den er erfaßt hat, im Rhythmus der berühmten Kanzone hin und her reißt