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Von dem Heroismus aber, der auch in der weiblichen Natur liegt und in entscheidenden Momenten großen Unglücks oder dringender Gefahr hervortritt, legt auch Dorothea Zeugnis ab, indem sie die eindringenden Soldaten so tapfer abwehrt. Diese Selbstverteidigung Dorotheens als einen falschen, widerwärtigen Zug zu tadeln ist leicht.

Auch das Fehltreten Dorotheens, das dem Jüngling noch vor der Verlobung das Glück schafft die Geliebte ans Herz drücken zu können, ist ein Spiel des Schicksals, das Amor selbst mit sinnvoller List gefügt zu haben scheint. Aus der Sphäre der Empfindung und des Liebesspieles hebt uns der letzte Gesang, der nach der Urania, der Sternenmuse, benannt ist, in die Höhen der Familie.

Zwei andre Gleichnisse treten nicht in Gestalt selbständiger Teilgebilde hervor, sondern sind mehr in die Rede verflochten. Auch die homerische Sitte schon dagewesene Stellen mit gleichen Worten zu wiederholen ist nur einmal in unserm Gedicht nachgeahmt, bei Schilderung nämlich von Dorotheens Tracht. Gerade dadurch aber wird das Mädchen aufs festeste unsrer Anschauung eingeprägt.

Bei der Verlobungsszene findet der Pfarrer mit Erstaunen an Dorotheens Finger den früheren Verlobungsring und nun hält Dorothea eine Rede, die das idyllische Familienbild in den Zusammenhang mit dem großen Ganzen der geistigen Welt erhebt. Der Rat, den der scheidende Bräutigam ihr hinterließ: Aber dann auch setze nur leicht den beweglichen Fuß auf! u. s. w.

Gern verweilt die Phantasie an ihnen gleichwie an Szenen aus der kindlichen Zeit primitiver Menschengeschlechter, gern stellte auch die bildende Kunst den Menschen neben sie und statt Niedrigkeit finden wir Adel in jener Gruppe Dorotheens und Hermanns auf der Landstraße.

Der Gesang beginnt mit einem ebenso wahren als prachtvollen Gleichnis. Wie der Wanderer am Abend die versinkende Sonne noch einmal ins Auge faßt und dann geblendet ihr Bild schweben sieht, wohin er die Blicke auch wendet, so sah Hermann Dorotheens Gestalt sich vor seinem Auge durch das Feld bewegen.

Nach einer ganz homerischen Beschreibung des Anschirrens der Pferde folgt die Fahrt ins Dorf. Hermann hält die Pferde im Schatten der Linde und die beiden Hausfreunde gehen nach Erkundigung aus. Wir begleiten sie in das Gewühl der Menschen, von dem wir eine episch ausführliche niederländische Genreschilderung erhalten. Nachdem wir uns Schritt vor Schritt der politischen Sphäre genähert, stehen wir endlich betrachtend vor dem furchtbaren Ereignis der Revolution und des Krieges, welches allen stillen Naturbildungen den Untergang droht, um die Welt aus Nacht und Chaos nach Vernunftprinzipien neu zu gestalten. Hermanns Liebe tritt für einen Augenblick zurück, aber nur um sich auf dem nun sich zeichnenden düstern Hintergrund desto heller abzuheben. Aus der Tiefe der Auflösung selbst wird die ewig wirksame Bildungskraft von neuem die Familie hervortreiben. In dem verworrenen Zuge der Flüchtlinge, in der Schilderung des Richters tritt uns Auflösung aller sittlichen Bande, Zerrüttung entgegen, aber, wie gewaltig auch der furchtbare Sturm der Geschichte die Wohnungen des Privatgeistes niederwerfe, immer wieder faßt der Mensch von neuem Fuß, knüpft neue Bande, steckt neue Grenzen des Besitzes aus und gründet feste Anstalten, in die er den Inhalt des Gemütes gießt. Die Revolution tritt uns nahe, aber nur damit antipolitisch und antikommunistisch die Privatexistenz, die Familie, das Eigentum sich bewähre und aus der Zerstörung neu erzeuge. Als das Symbol dieser in der Menschheit wohnenden Naturmacht wird uns Dorothea erscheinen, sie, die Flüchtige, Elternlose, des väterlichen Hauses, des Bräutigams Beraubte, die in den Krieg und die Verwirrung als ein hilfloses Mädchen Verschlagene, die dennoch, wo sie auch ist, sorgend und weiblich durch Rat, Pflege und Hilfeleistung eine Sphäre der Liebe um sich zieht, die endlich als künftige Gattin und Mutter in einen neuen Familienkreis einzieht, den sie durch ihre Einkehr vollendet und abschließt. Gleich bei den ersten Schritten, die die beiden Freunde unter die Menge thun, treffen sie diese in Streit: die Männer drohen einander, die Weiber mischen sich schreiend ein. Das häßliche Bild wird aber rasch vor den Augen weggezogen und es folgt eine versöhnende patriarchalische Szene. Ein langes Zwiegespräch zwischen dem Pfarrer und dem ehrwürdigen Richter der Gemeinde füllt den Schluß des fünften und den Anfang des sechsten Gesanges. Wir erhalten eine Schilderung des Verlaufes der Revolution, der Freiheitsbegeisterung, der darauf folgenden Enttäuschung, der Greuel des Krieges; wir hören von Dorotheens heroischer Selbstverteidigung. Unterdes hat der Apotheker das Mädchen aufgespürt und zieht den geistlichen Herrn mit fort. Wir blicken mit beiden durch die Lücke des Zauns und sehen zum erstenmal Dorotheen. Nachdem wir soeben alle Zerrüttung des Krieges durchlebt, nachdem wir voll Bewunderung und Entsetzen von der That der männermordenden Jungfrau (ἀνδροκ

Der Mißton, der dem harmonischen Zusammenklang aller Umstände und Charaktere vorhergeht, erreicht in Dorotheens Rede die höchste Stufe; denn sie will ja wieder fort; aber er ist auf demselben Punkt der schönen Auflösung am nächsten, da das Motiv ihrer Entfernung ja die heimliche Liebe zu Hermann ist.

Auch Dorotheens bäuerliche Tracht ist noch so bunt sinnlich, daß sie Stück für Stück an zwei Stellen des Gedichts vom Dichter beschrieben, daß das Mädchen auf ganz episch primitive Weise nach ihr erkannt und beurteilt werden konnte. Bei alle dem sind es nicht bloße Bauern, die wir vor uns haben; sie sind nicht wie diese stumpfsinnig auf das nächste sinnliche Dasein gerichtet.

Sehr gewandt ist das Mittel, durch welches der Dichter das holde Geständnis der Liebe Dorotheen entlockt, über deren Gesinnung wir bisher nicht ganz sicher waren; die Weise, wie dies aus dem Mißverständnis sich entwickelt, ist zugleich eine sehr natürliche, dem Charakter sowohl des Vaters als Hermanns angemessene und stellt uns noch zum Schluß die ganze mädchenhafte Zartheit Dorotheens, die sich mit echt weiblicher Entschlossenheit paart, vor die Augen.