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Die Lesewut machte zu Beginn des Gymnasiums einer unbändigen Sammelfreude Platz. Arnold besaß bald, wie ein Onkel sich ausdrückte, eine »Sammlung von Sammlungen«, er hob alte Tramwayzettel auf, flehte alle Abreisenden an, ihn in fremden Städten auf Zahnradbahnen und Elektrischen ja nicht zu vergessen, ferner ordnete er in Schachteln und Kistchen abgesondert: Knöpfe, alle Arten von Zündholzschachteln, Zigarrenbinden, Ansichtskarten mit und ohne Marke auf der Bildseite, Bleistifte, Autogramme, Münzen, Vereinsmarken, Siegelabdrücke, Mineralien, hinter Glas spannte er Schmetterlinge und Käfer auf, in Mappen hatte er bald mehrere Tausende von Bildern, aus alten Zeitschriften ausgeschnitten und sauber auf dünne Pappendeckel aufgeklebt. Er brannte um diese Zeit auf derartige alte Bände der »Gartenlaube«, der »Guten Stunde«, und unzerschnitten schienen ihm diese Hefte ihren wahren Zweck vollständig verfehlt zu haben, so daß ihm bei ihrem Anblick und wenn er sie nicht in seine Sphäre ziehen konnte, das Herz zerbrach. Wie alles, betrieb er solchen Sport mit dem ganzen Eifer seiner ganzen Natur, und wenig fruchtete da die stereotype Warnung des Vaters: »Arnold, du übertreibst allesDem Kinde, das zwei oder drei Sachen derselben Art beisammen sah, lag nichts näher als der Gedanke, solcher Dinge noch mehr auf einen Haufen oder in schöne Reihen zusammenzukriegen, und namentlich bestärkte ihn in diesem immer neu wiederholten und dadurch schon ganz geläufigen schnellen Gedankengang die Beobachtung, daß es ja so leicht war, eine Sammlung irgendwelcher Manier anzufangen, ja, daß eigentlich die Sammlungen schon um ihn herumlagen, nur freilich noch unentdeckt, ungeordnet, daher unwirksam. Es bedurfte aber jedenfalls keiner schöpferischen Tätigkeit, keines Hervorstampfens. Er mußte nur, wenn er beispielshalber auf die Idee gekommen war, Stahlfedern zu sammeln, seine alte Liebe, zuerst einmal seine Pennale ausleeren. Da lagen sie ja schon beisammen, halbverbraucht, aber immer noch Muster ihrer Art, er brauchte nur die besten herauszuklauben. Dann ging es über die Vorräte des Vaters im Comptoir her, wo die seltenen großen Stücke, wie Kolumbusfedern, oder die komisch verkrümmten Soennecken oder die zierlich-spitzen Stenographiefedern, die fast wie Nadeln aussahen, eiligst zusammengerafft wurden. Und mit dem Taschengeld, das ihm zum Ankauf von Schreibzeug übergeben wurde, ging nur eine kleine Verschiebung vor, er kaufte, statt wie bisher gedankenlos Federn immer derselben Art, möglichst verschiedenartige und exotische, natürlich nicht zum Schreiben, sondern zum Aufheben, während zum Schreiben möglichst lange derselbe Invalide herhielt. So rückte die Sammlung feurig vorwärts, es war gar keine Unmöglichkeit, tausend Stück zusammenzubekommmen oder die größte Sammlung von Europa überhaupt, es galt nur die richtigen Stege und Zuflüsse zu graben, durch rein geistige Überlegungen, denn der Rohstoff war ja vorhanden. Nur ihn gescheit in die Grube zu leiten, das war das Problem, ihn nicht unnütz an den Seiten abrinnen zu lassen. So hatte er beim Sammeln das Gefühl, nicht nur sich durch nützliche Tätigkeit auszuzeichnen, sondern auch irgendwie der ganzen Welt zu dienen und übersah er dann an einem der ersten Abende, da alle Quellen noch munter der neuen Sammlung zuflossen, seinen sauber geschlichteten Reichtum, so überfiel ihn ein beinahe schwindelndes Glück von Größe, Schönheit und Triumph, und der Wunsch, mit dem er einschlief, die Sammlung möge so weiter und weiter gedeihn, war um nichts weniger innig als das Nachtgebet ... Freilich nahm sein Interesse bald ab, wenn in seiner Nähe keine neuen Höhlen mehr zu sprengen waren, in denen schon große Haufen der gewünschten Dinge wie vorbereitet dalagen und auf ihn warteten; wenn es galt, nun ein Stück ums andere mühsam heranzulocken. Dann wurde die Sammlung aus den Kasten ins Dunkle gestellt, halb vergessen, eine andere trat mit neuen Hoffnungen ans Licht. So ging es zwei Jahre lang, bis endlich sein Streben an einer Briefmarkensammlung hängen blieb und sich gewitterwolkenähnlich verdichtete, da hier nebst dem Reiz der Ausdehnung und Vollständigkeit nun auch der des nicht mehr bloß kindischen Wertes in Aussicht gestellt wurde. Nun begann er in den Zehnuhrpausen zu »tauschen«, nicht ohne Streit und Schwindel, nun wußte er bald alle Wasserzeichen, Fehldrucke, Zahnungsunterschiede und Farbennüancen auswendig, niemand kam ihm darin gleich, ja sein stürmisches Interesse für alles, was mit Marken zusammenhing, ging so weit, daß er sogar den Flächeninhalt, die Hauptstadt und die Münzsorten jedes Landes wie dies in seinem Album angegeben war, schnell und genau erlernte. Mit seinem »Senf« in der Tasche, den er stets sorgfältig nach der neuesten Ausgabe korrigiert hatte, galt er unter den Kollegen als Autorität, wurde in schwierigen Fällen befragt und entschied unwidersprochen. Und nur etwas unterschied ihn von einem kühlen Fachmann: während er die verlockendsten Stücke fremder Sammlungen nachsichtslos, von ängstlichen Blicken ungerührt, als »falsch« oder »Neudruck« verurteilte, konnte er selbst sich von den Fälschungen, die ihm gehörten und die er als solche längst erkannt hatte, in einer seltsamen grundlosen Zärtlichkeit nicht trennen. Er glich da dem glühenden Liebhaber, der seine Leidenschaft nicht bezwingen kann, obwohl er die triftigsten Gründe hat, von dem Unwert des geliebten Gegenstandes überzeugt zu sein. So besaß Arnold, beispielsweise, eine alte Schweiz »mit der sitzenden Helvetia« nachgemacht, ganz plump nachgemacht. »Ich weiß ja, daß sie falsch ist« pflegte er zu sagen und sah die Marke mit stillverliebten, unendlich traurigen Blicken an, »aber ich laß sie doch drin, sie schadet ja doch nichts«, während er einen Kameraden in gleichem Fall unfehlbar mit den Worten: »So ein Stück ist eine Schmach für jedes anständige Album« ausgescholten hätte ... Ja es gab sogar Zeiten, allerdings nur zu Anfang der Markenperiode, in denen Arnold selbst fälschte, sich selbst betrog, indem er aus einem alten Album einfach die vorgedruckten Markenbilder, sofern sie mit »grau« oder »schwarz« bezeichnet waren, ausschnitt und als wirkliche Marken in sein Album einklebte. Davon ließ er bald, konnte aber von den einmal gewonnenen Exemplaren auch in der Folge nicht Abschied nehmen, in einer ganz unbestimmten, sinnlosen Hoffnung, wie sie eben den Ekstatiker auszeichnet: diese Scheinmarken könnten eines Tages doch vielleicht, wie durch ein alchymistisches Wunder, in echte und allgemein anerkennenswerte verwandelt werden. Ebensowenig mochte er sich entschließen, beschmutzte oder lädierte Stücke auszuscheiden. »Sie fehlt mir ja gerade zum Satzdieses Zauberwort hielt ihn fest. O welche Freude war das, welcher Anblick konnte schöner sein als der einer Albumseite, deren vorgezeichnete Reihen

Vergnügen dieser Art also sind nach Ansicht der Utopier nicht zu schätzen, soweit sie nicht zum Leben notwendig sind. Doch haben sie auch an ihnen ihre Freude und erkennen dankbar die Liebe der Mutter Natur an, die ihre Kinder mit den verlockendsten Lustgefühlen zu den für sie immer wieder lebensnotwendigen Verrichtungen anspornt. Wie würde uns nämlich unser Leben anekeln, wenn wir ebenso wie die übrigen Krankheiten, die uns seltener befallen, auch diese täglichen Erkrankungen an Hunger und Durst durch Gifte und bittere Arzneien bekämpfen müßten! Was dagegen Schönheit, Stärke und Gewandtheit anlangt, so hegen und pflegen die Utopier sie mit Vorliebe als eigentliche und willkommene Gaben der Natur. Als eine Art angenehme Würze des Lebens schätzen sie auch diejenigen Genüsse, die uns Auge, Ohr und Nase vermitteln und die die Natur ausschließlich für den Menschen, und zwar in besonderer Weise, geschaffen hat; denn keine andere Gattung von Lebewesen hat ein Auge für die Schönheit des Weltgebäudes oder wird irgendwie von Wohlgerüchen angenehm berührt, soweit sie nicht ihre Nahrung danach unterscheiden, oder hat ein Gehör für die verschiedenen Abstände harmonischer und dissonierender Töne. Bei allen diesen Genüssen aber sehen die Utopier darauf, daß nicht ein kleinerer einem größeren im Wege ist und daß niemals ein Vergnügen den Schmerz im Gefolge hat, was, wie sie meinen, notwendig bei einem nicht ehrbaren Vergnügen der Fall ist. Den Reiz der Schönheit dagegen zu verachten, die Kräfte zu schwächen, die Beweglichkeit zu Trägheit werden zu lassen, seinen Körper durch Fasten zu erschöpfen, seiner Gesundheit Gewalt anzutun und auch sonst von den Lockungen der Natur nichts wissen zu wollen, es sei denn, daß man sein Glück nur deshalb nicht wahrnimmt, um desto eifriger für das Wohl seiner Mitmenschen oder für das des Staates besorgt zu sein eine Mühe, für die man als Entschädigung eine größere Freude von Gott erwartet

So fiel er einem berüchtigten Bauspekulanten in die Hände, der ihm in den verlockendsten Tönen ein Grundstück anpries, in dessen Besitz man innerhalb kurzer Zeit ein Vermögen erwerben könne und das für einen Spottpreis zu haben sei.

Gegen England brauchten wir eine starke Flotte; es mußte unbedingt zerschmettert werden, es war der ärgste Feind des Kaisers. Und warum? Man wußte es in Netzig ganz genau: nur weil Seine Majestät einst in angeregter Laune dem Prinzen von Wales dort, wo es am verlockendsten erschien, einen freundschaftlichen Schlag versetzt hatte.

Unsere betörten Sinne haben auf jede Weise den weiblichen und männlichen Körper zu schildern gesucht. Das Gefühl spiegelt ihnen die Liebkosung der schönsten Früchte vor, während das Gesicht, sich an der Schönheit weidend, wahrnimmt, daß jedes Glied des menschlichen Körpers den verlockendsten Dingen ähnlich ist, die seine Wünsche auf Erden und im Paradiese begehren könnten.