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Das mußte wohl die Mutter sein, die nach des Zeitlers Erzählung noch im Tode die Augen nicht hatte von ihren Kindern abwenden können, was ich auf einmal wohl begriff. Auf der weißen Decke lag ein schmales Lesezeichen, das wohl einem der wenigen, vielgelesenen Bücher entfallen war, die bequem erreichbar auf einem hängenden Ebenholzgestell lagen.

Daß er keine Zeit hatte, war eigentlich für Fernerstehende das hervorstechendste Merkmal seines Lebens. Und meist befand ja auch er selbst sich, dank seiner fortreißenden Strudeleien, in der Lage dieser Fernerstehenden. Dann fiel ihm auf, daß er sich zu viel aufgebürdet hatte; an einem Tage ein Rudermatch, vier Vorlesungsstunden, Besuch bei zwei Freunden, bei einer Familie Tee, Klavierüben, und dazu die vielen angefangenen Bücher mit winkenden Lesezeichen auf dem Schreibtischregale, das ging entschieden über Menschenkraft. Und da ja die meisten dieser Verpflichtungen in langvergangene Zeit zurückreichten, zu denen er sprunghaft immer wieder zurückkehrte, ohne sie je durch Beendigung loszuwerden, wurde er sich immer nur bewußt, daß er Verpflichtungen zurückwies, nur selten neue aufnahm. Also erschien er sich als armer Verfolgter, Begehrter, Bedrängter, vergaß bald den eigenen Leichtsinn, mit dem er sich nach einander auf so verschiedene Dinge gestürzt hatte, und begann einen geheimen Groll gegen seine Freunde insgesamt zu nähren, die ihn in Anspruch nahmen und ausnützten, ja ausnützten und zu keiner eigenen Arbeit kommen ließen. Was half es, daß er stets einen Zettel bei sich trug, mit den wichtigsten Pflichten für die nächsten Tage, daß er ein Tagebuch begann, in das er die Dinge schrieb, um sie keinem Freund erzählen zu müssen und um also auf diesem Wege einen Verkehr mit sich selbst anzubahnen, was halfen alle Anstrengungen, Ordnung in sein so hinausgestreutes Leben zu bringen ... Und grimmig ging er die Schwächen seiner Freunde durch, die sie an ihn fesselten, die Blutarmut Waldesaus, die diesen melancholisch machte und auf lindernden Zuspruch angewiesen, die Armut Krauses, die ihm den Verkehr mit Arnold als mit dem gesellschaftlich Höheren unentbehrlich erscheinen ließ, die Dummheit Bobenheims, der, durch den intelligenten Umgang geschmeichelt, zu einiger Selbstachtung gekommen war, während er sich vordem nur als einen »trostlosen Wüstling« gekannt hatte. Und er verfluchte sein gutes Herz, das ihn aus Mitleid an diese fehlerhaften Menschen klemmte. Zugleich war er erbost über seine grübelnde Scharfsichtigkeit, seine Lieblosigkeit gegen so gut verhüllte Schwächen der Freunde. In einem allgemeinen Katzenjammer fand er dieses Leben erbärmlich, nicht länger zu ertragen. War dies gemeines Menschenlos, oder nur vielleicht typisches Schicksal eines jungen Juden? So weit hatten ihn Krauses Ideen schon beeinflußt, daß er dies in Erwägung zog. Schließlich aber blieb er, ohne Zusammenhang mit Gott, oder mit irgend einem Volk, in der zusammenschlagenden Dunkelheit allein, von allen Teilnehmenden verlassen, verzweifelnd und unsympathisch ... Da traf er den nächsten auf der Gasse. Sofort heiterte sich sein Antlitz auf, sein Herz zugleich, er fand schnell wieder die freundlichen Worte, die Fragen voll Interesse und Ermunterung, und dabei war dies durchaus keine Heuchelei, sondern die bloße Gegenwart des Freundes eben bewirkte in ihm jene schnellere Zirkulation von Ideen, die ihn sprudelnd auf Flammenpfeilen in die Höhe schoß und ihm den Zusammenhang mit einer glücklichen Menschheit und ihrem wohlwollenden Wirken zurückgab ... Am wärmsten aber wurde es ihm, wenn er mit Lambert und Genossen (dies war wieder eine andere Partei besonders eleganter internationaler Nichtstuer, die aus unbekannten Mitteln glänzend in den Tag lebten) auf dem Corso erscheinen konnte, auf dem Bummel, den diese Herren nie versäumten, mit ihren siegesgewissen Mienen, ihrem arroganten Hütelüpfen. Auch bei ihnen war Arnold beliebt, durch seine schussige Munterkeit und Originalität, und obwohl er weder der fescheste noch der witzigste unter ihnen war, räumte man ihm gern eine beherrschende Stellung ein. Wenn es nur anging, machte er sich täglich eine Abendstunde dafür frei, und dies nannte er seine Erholung, mitten in einer dunklen Schar befreundeter Köpfe sich geschützt und gemütlich zu fühlen, wie in einer Herde auf- und abzurollen die Gasse entlang, gestoßen werden, stehen bleiben und ungerührt in die Vorbeigehenden starren wie in die beleuchteten Auslagen, durch lustiges Flüstern und Blicken fest mit der Genossenschaft verbunden, beinahe bewußtlos.