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Aktualisiert: 29. Juni 2025


Er wurde flammend rot und schwieg, dann auf einmal, unter dem musternden, bohrenden Blick der Mutter, glaubte er es zu verstehen, es zu ahnen wenigstens, und seine Augen senkten sich in Scham. Auch Dorine verfärbte sich. Das Zwiegespräch dünkte ihr unerträglich. Der Raum drehte sich im Kreis.

Die Freunde, ihrem Versprechen treu, kamen um den zwanzigsten September, Georg Mathys von Basel herüber, Justus Richter aus Tirol, wo er mit seinen Eltern gewesen war, beide an demselben Tag. Eine Woche zuvor war Dorine nach Leuckerbad gereist.

Abwechselnd lasen sie an den Abenden einander vor, es wurde nicht selten Mitternacht, ehe sie sich zur Ruhe begaben, und Dietrich, in Eifer, Teilnahme und aufgeschürter Wissenslust, brach nur widerstrebend ab. Dorine wollte ein Verzeichnis ihrer Porzellansammlung anfertigen. Zu dem Zweck wurden die Stücke aus den Schränken genommen, katalogisiert und mit kurzen Schlagworten beschrieben.

Schon am zweiten Tag von Dietrichs Krankheit erfuhr Richter und teilte es Dorine Oberlin mit, daß sich Hanna auf dem Grab ihrer Schwester erschossen habe. Den Morgen darauf stand es in allen Zeitungen. Die Nachricht wurde Dietrich sorgsam verhehlt, auch als die Genesung schon weit fortgeschritten war. Möglich, daß er es ahnte. Er sprach nicht von Hanna. Er fragte niemals.

Justus Richter stellte sich häufig ein und spielte Schach mit ihm, was ihm das liebste war, weil er dabei schweigen durfte. Anfang Mai kam Georg Mathys; als er ins Zimmer trat, zeigte sich zum erstenmal ein heller Schimmer in Dietrichs Gesicht. Ein paar Tage darnach durfte er ausgehen. Dorine und Mathys begleiteten ihn zuerst beide, dann Mathys allein.

Auch das Verschwinden des Mädchens schien Dorine nicht zu bemerken. Sie legte den Hut mit dem langen Schleier ab und ging lässig hin und her. Sie erzählte von der Eisenbahnfahrt, vom Baseler Haus, von einem jungen Professor, den Dietrich kannte und den sie vor der Abreise am Bahnhof gesprochen.

Es werde ihm gewiß nicht schwer werden, denn im Grunde sei er hart, skeptisch, ablehnend, nicht besonders gutmütig, und wenn auch einerseits ziemlich leidenschaftlich, so doch dafür sehr egoistisch. Dorine lachte.

Mit ihm, leider müsse er es bekennen, sei es vorläufig noch so, daß es ihn den einen Tag dünke, er könne fliegen, den anderen aber sei er lahm; das gebe ihm zu schaffen, das mache ihn zu often Malen irre. Dorine hörte mit großer Aufmerksamkeit zu. Ihr war, als lerne sie ein unbekanntes Land kennen.

Das Abendessen verlief schweigsam, Dietrich ging danach in sein Zimmer, Dorine prüfte mit der Köchin die Rechnungen und hatte dann mit dem Gärtner zu verhandeln. Anderthalb Stunden mochten verflossen sein, sie war längst wieder allein, als sie Dietrichs Schritt zu hören glaubte, über den Flur, die Treppe hinunter, über den Kies im Garten.

Durch die Lektüre des Briefes an Lucian in einen fortdauernd beklommenen Zustand versetzt, schmerzlich aus der Ungewißheit gerissen, hatte sich Dorine vorgenommen, im Hinblick auf Dietrichs Tun und Treiben sich jedes Einspruchs zu enthalten, jeder Maßregel und Warnung, die drückend oder hemmend auf ihn wirken konnten, der stillen Mißbilligung auch.

Wort des Tages

ibla

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