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Aktualisiert: 23. Juni 2025
Der Glanz in den Augen hatte sich so gesteigert, daß es peinigend war, in sie zu schauen. Der seltsame Rahmenbart glich verdorrtem Gestrüpp. Doktor Strygowski hatte sein Ohr auf der keuchenden Brust des Mannes und lauschte dem Herzschlag.
»Das kann ich nicht leugnen, und es gilt in allen Fällen, nur bei Schwester Olivia nicht,« versetzte Doktor Strygowski. »Ihr Geist und ihr Gemüt sind der Abstumpfung nicht unterworfen. Das ist das Merkwürdige und das Seltene bei ihr. Nicht bloß, daß sie sich an das vielfältig Entsetzliche nicht gewöhnt, nie gewöhnen wird, sondern jeder neue Eindruck reißt ihr Herz von neuem auf.
Dann öffnete er die Türe, schritt durch den kleinen Vorraum und die Treppe hinunter. Doktor Strygowski folgte ihm. Auf der untersten Treppenstufe saß zusammengekauert ein Mensch. Erst als er ihm nahe war, erkannte Lamm seinen Diener Gerold. Er war es, der wie ein Idiot halblaut vor sich hinheulte und dabei mit dem Oberkörper schaukelte. »Was treibst du da?« herrschte ihn Lamm an.
Lamm schwieg, kaum daß er atmete, und nach einer kurzen Weile fuhr Doktor Strygowski fort: »Sie versteht die Heiterkeit nicht mehr, das harmlose Gespräch nicht mehr, das selbstverständliche Weitergehen des Daseins nicht mehr. Sie versteht nicht, daß es noch Menschen gibt, die von ihren Geschäften, ihren Wünschen, ihren persönlichen Vorteilen und Enttäuschungen reden können.
Überrascht von der Aufwallung eines Mannes, den er für trocken und unempfindlich gehalten hatte, senkte Doktor Strygowski den Kopf. »Vor einigen Tagen war ich mit Schwester Olivia in einem Haus, wo irrsinnige Verwundete untergebracht sind,« erzählte er mit leiser Stimme; »da waren Zimmer angefüllt mit Männern, die aneinander vorübergingen, ohne einander zu gewahren, in gleichmäßigem Marschtempo, mit Blicken der angstvollsten Erwartung; Zimmer, wo Männer saßen, die stundenlang die Hände steif zum Gebet gefaltet hatten oder nach ihren Angehörigen riefen; da war es schwer, sich zusammenzunehmen, sehr schwer.
Als sie Robert Lamm gewahrte, nickte sie ihm ohne Lächeln zu. Es war elf Uhr vorbei, als Doktor Strygowski in Robert Lamms Stube trat. Er entschuldigte sein spätes Kommen. Lamm deutete schweigend auf einen Sessel gegenüber seinem Lehnstuhl.
»Ihr Ungestüm gibt Ihrer Beschuldigung noch nichts Plausibles,« sagte Strygowski, der blaß geworden war. »Ich beschuldige Sie nicht, ich weiß nichts von Ihnen, Sie sind mir fremd, lassen wir Ihre Person aus dem Spiel,« fuhr Lamm grollend fort. »Wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin, will ich abbitten.
Doktor Strygowski fuhr fort: »Sie kennt jeden einzelnen Mann, und wir haben jetzt hundertzwanzig Leute im Haus. Sie kennt die Beschaffenheit der Wunden bei jedem, sie weiß ob Hoffnung besteht, das Leben zu erhalten oder nicht, jede Besserung oder Verschlimmerung spürt sie unmittelbar und ist sogleich zur Stelle, wenn Gefahr droht.
»Ja, das kann ich mir gut denken,« antwortete Lamm nun wieder mit erkünstelter Ruhe. »Aber erklären Sie mir doch, was in ihr vorgeht,« fügte er hinzu und kniff die Augen sonderbar zusammen; »mich läßt da die Logik im Stich.« »Die menschliche Seele ist ein wunderbarer Organismus, Herr Hofrat,« sagte Doktor Strygowski sinnend. »Ich will nicht von mir reden. Ich bin Arzt.
Doktor Strygowski lachte. »Ich glaube, der Rat hat gefruchtet,« antwortete er. »Unsere Fischdiebe haben sich mit hinreichend langen Mänteln versehen.« Lamm warf einen durchdringenden Blick auf den jungen Arzt. »Doktor Strygowski, wenn ich nicht irre –?« »Strygowski ist mein Name. Ich bitte um Verzeihung, daß ich unterlassen habe –«
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