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Aktualisiert: 22. Juni 2025
Die Mutter war eine ziemlich einfältige Frau, fromm, apathisch und harmlos, sogar ihres Gebrechens nur dumpf bewußt. Anastasia nahm am Tisch der beiden Platz und begann, nachdem sie die Generalin durch Mienen und Gesten nach ihrem Befinden gefragt, leise mit Lukardis Nikolajewna zu sprechen.
Dieser Mensch stak in einer silberbetreßten Livree, hatte boshafte, aufmerksame Kugelaugen, ein unveränderliches, abgeschmackt einladendes Lächeln auf den dicken Lippen und war demütig. Lukardis spürte, wie sich ihr Herz bei seinem Anblick zusammenzog.
»Nur das eine ist möglich,« fuhr Lukardis flüsternd fort, »ganz in der Stille zu verschwinden, der Mutter einen Brief zu schreiben –« »Ja ja, ein paar Zeilen, irgend was und um Verschwiegenheit bitten und versprechen, bei der Rückkehr alles zu sagen. Aber auch Sie selbst müssen schweigen, Lukardis Nikolajewna,« setzte sie fast drohend hinzu. »Sie müssen schweigen, als ob Sie es nie gelebt hätten.«
Lukardis ließ zaghafte Worte in die Pausen fallen. »Morgen werde ich mich kräftig genug fühlen, um das Haus zu verlassen,« sagte er.
Auch die Magd war fertig, und nun schleuderte Lukardis die Decke weg und erhob sich wie vor Feuer flüchtend. Sie verriegelte die Tür und öffnete ein Fenster. Ihr Haar hatte sich gelöst, sie ließ es ruhig hängen, denn es bedeckte ihre entblößten Schultern.
Lukardis war geschminkt; sie hatte ein dekolletiertes Kleid angezogen; sie durfte sich nicht geben, wie sie sonst war; die kindliche Unschuld, von der ihre Miene sonst strahlte, mußte sich in Leichtfertigkeit verwandeln; sie mußte gesprächig sein, Koketterie zeigen, mußte lachen, mußte den Arm um Nadinskys Schultern legen und sich bisweilen auf seinen Schoß setzen, sie mußte passionierte, übermütige, verführerische Gebärden haben; was sie nie beobachtet, nie zu sehen gewünscht, nie anders als schaudernd bedacht, nur durch flüchtige Worte und flüchtige Bilder mit abgewandtem Ohr und Auge erfahren, das mußte sie tun, um jenen Menschen zu täuschen, der mit Tellern, Schüsseln, Gläsern und Flaschen hereinkam, den Sekt in den Eiskübel stellte, die Speisen servierte und dann schweigend, lächelnd, hinter niederträchtig gesenkten Lidern spähend auf Befehle harrte.
Sein lauernder Blick durchmaß den Raum und auch den andern, soweit er ihn erspähen konnte, und es war Lukardis, als suche er ihre Kleider, mit denen sie im Bett lag, ein Umstand, der seinen Argwohn zu erregen geeignet war. Sie schloß die Augen, denn diesen Menschen zu sehen war ihr entsetzlich.
In demselben Moment erschraken beide. Es war wie eine beglückende, aber unheilvolle Verwandlung, die jeder in des andern Augen erlitt. Da trat Lukardis klopfenden Herzens vor einen der Spiegel und steckte ihr Haar wieder auf, aber ihre Finger zitterten dabei. Wenn er ihr jetzt befohlen hätte, zu gehen, hätte sie wahrscheinlich keinen Widerstand mehr geleistet.
Anastasia reichte ihr ein Paket mit Verbandzeug und sagte zu Nadinsky, daß sie ihn am zweiten Morgen zu einer gewissen Stunde und an einer gewissen Stelle des Bahnhofs erwarten und daß sie sich bis dahin einen Auslandspaß für ihn verschafft haben werde. Dann gab sie dem Kutscher die Adresse, winkte grüßend ins Fenster und der Wagen fuhr davon. Schweigend saßen Lukardis und Nadinsky nebeneinander.
»Sie sind also dazu entschlossen?« fragte Anastasia leise, indem sie den Blick ihrer grauen Augen auf die Hand des Mädchens heftete. »Ich bin dazu entschlossen,« antwortete Lukardis ebenso leise, ohne die Lider zu erheben. »Es ist nur noch eine Schwierigkeit –«
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