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Und darunter war eine schmutzige Visitenkarte angenagelt, der die rechte obere Ecke fehlte: »Rita von Veldern, Mitglied des Frankfurter Opernhauses.« Benno nahm ehrfurchtsvoll seinen Hut ab und machte eine tiefe Verbeugung. Also Rita hieß sie. Natürlich kam es ihm so vor, als hätte er noch nie einen schöneren Namen gehört.
Vielleicht dhun ihne de Sachsehäuser noch ebbes bumbe, die Frankforter dhun’s net mehr!« Die volle Wahrheit über Rita von Veldern, geborene Katharine Käsberger, erfuhr Benno auch hier nicht. Nur so viel hörte er aus der lieblosen Schilderung heraus, daß die Rita ein armes Geschöpf war. Und das war sie in der Tat. Ursprünglich war Katharine keineswegs zur Künstlerin bestimmt gewesen.
Und besaß nicht Rita auch ein sichtbares, lebensgroßes Zeichen ihres Künstlertums? Ich meine damit nicht den kleinen Lebrecht, sondern den riesenhaften Lorbeerkranz, der in der guten Stube über dem Sofa hing, und dessen Schleife in goldenen Buchstaben die Inschrift trug: »Der vortrefflichen Künstlerin – Die dankbaren Schornsteinfeger.«
Hatte er dieses kräftige Organ von seinem Vater oder von seiner Mutter geerbt? Rita und Benno starrten sich verdutzt an. »Er ist etwas nervös,« bemerkte Rita entschuldigend. »Aber er scheint ein guter Junge zu sein,« sagte Benno verbindlich und zog eiligst seine Hand zurück, denn der gute Junge hatte nach ihr gebissen. »Ist das Ihr Brüderchen? Er sieht Ihnen so ähnlich.«
Nur die feuchte Herbstluft zog ein, machte es sich auf Bennos Sofa, in Bennos Bett bequem, kletterte die Wände auf und ab, bis sie sich zuletzt in Bennos aufgestülpte Nase verkroch und in Gestalt eines Stockschnupfens dort bis in den Januar wohnen blieb. Keines der gebräuchlichen Schnupfenmittel erkannte sie als Kündigungsgrund an. War Rita krank? Er sah sie jetzt auch nicht mehr auf der Straße.
Benno blieb plötzlich mitten auf der Straße und mitten in seiner Träumerei stehen. Benno wußte sofort: das ist sie. Rita von Veldern trug einen karierten Rock, eine verwaschene hellblaue Bluse mit einem breiten, maschinengearbeiteten Spitzenkragen. Ihre Kleidung schien etwas vernachlässigt und geizte offenbar danach, für kostspieliger zu gelten, als es der Wahrheit entsprach.
»Es ist mein Sohn,« antwortete Rita ruhig und gelassen. Es gab Benno einen Stich. »Sie sind verheiratet?« frug er enttäuscht. »Ich wäre es beinahe einmal gewesen,« belehrte sie ihn freundlich. »Das Lebrechtchen hier ist die Verlobungskarte. Aber die Verlobung ging zurück. Lebrecht, gib dem Herrn die Hand!« Lebrecht streckte Benno die Zunge heraus.
Dort fand er bei der Tapeziererswitwe Petterich ein Heim, und sogar an der Nordfront des Hauses ein Zimmer, von dem aus er Rita singen hören konnte. »E Zimmerche wolle Se hawwe?« hatte Frau Petterich an der Flurtüre auf seine Frage geantwortet. »E Zimmerche? Hm, was sin Se dann?« Die Auskunft »Bankbeamter« hatte sie befriedigt, sie ließ Benno Stehkragen eintreten.
Mama Rita und Großmama Käsberger verliebten sich in ihn, verhätschelten ihn und merkten infolgedessen nicht, daß der kleine Lebrecht eine Eigenschaft besaß, die in bessersituierten Kreisen kein Hindernis in der Karriere ist, für arme Teufel aber verhängnisvoll zu sein pflegt: er war strohdumm. Mit der Pointe Klein-Lebrecht schloß das Couplet von Ritas Jugend.
Er konnte sie sich jetzt recht gut während des Singens vorstellen, und ihm war, als sänge sie für ihn allein. Er sah Rita öfters auf der Straße, und jedesmal grüßte er sie. Sie wunderte sich nicht mehr über diesen Gruß, sie dachte sich: Wahrscheinlich ist es irgendein Bekannter vom Schornsteinfegerball. Und sie erwiderte lächelnd seine Begrüßung.