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Mein unermeßlich Reich ist der Gedanke, Und mein geflügelt Werkzeug ist das Wort. Was sich bewegt im Himmel und auf Erden, Was die Natur tief im Verborgnen schafft, Muß mir entschleiert und entsiegelt werden, Denn nichts beschränkt die freie Dichterkraft; Doch Schönres find' ich nichts, wie lang ich wähle, Als in der schönen Form die schöne Seele.

März 1892 gestorben. Im Alter von über dreißig Jahren also ist Whitman zu seiner Dichterkraft gekommen; was er vorher geschrieben, hat kaum eine Beziehung zu dem Wesen, das nun herauskam. Einer, der langsam reift und über den es dann noch mit vehementer Plötzlichkeit kommt, ist er. Das Vorwort, das er 1855 seinem Buche mitgab, vereinigte die Reife des Mannes, der wie eingewachsen auf seinem Platze steht, mit der blutjungen Hingerissenheit des Beginnenden. »Der reichste Mann ist der, der aller Pracht, die er sieht, Gleichartiges aus dem größeren Vorrat seines eigenen Selbst entgegenstelltDas ist seine erste Entdeckung, zu der erst später Einflüsse von Fichte und Hegel gekommen sind, während, wie Bertz in einem übrigens ungenießbaren Buch richtig zeigt, Emerson schon damals eingewirkt hat: daß der Mensch in seinem Ich, in seiner Geistigkeit die ganze Welt trägt, daß die Welt nur eine unendliche Fülle von Mikrokosmen ist, eine Pluralität und Unzähligkeit von »Identitäten«, von selbstbewußten Kreuzungspunkten der Weltenströme. Was er also den Amerikanern als Religion des Geist- und Universalgefühls bringt, ist eine neue Form der ewigen Lehre der Philosophen und Mystiker von Indien über die christliche Mystik zu den Magikern der Renaissancezeit und weiter über Berkeley und Fichte bis in unsere Tage: der heute sogenannte Monismus dagegen hat nur schwache

Der Mensch ist ein Geschöpf des Gleichgewichts, und niemandem steht es mehr an als dem Deutschen, der über Zeiten und Räume blickt, die höhere Menschheitsstufe zu begreifen. Nicht das Gleichgewicht des Tieres, das den Ansprüchen der eigenen und der umgebenden Natur genügt, wenn es widerspruchlos sich den einfachen Trieben und Wallungen seines Wesens überläßt; sondern das wiedergewonnene schwebende Gleichgewicht, dessen die Kunst das schönste Bild ist, das Gleichgewicht der Wiedergeburt aus den Wirrnissen unauflöslicher Widersprüche. Es ist der Stolz unseres Daseins und der Beweis, daß wir hart an der Grenze des göttlichen und des animalischen Reiches stehen: daß die widerspruchsvollen Bedingungen, denen die Schöpfung uns unterworfen hat, schlechthin unlösbar sind, und daß dennoch die Dichterkraft einer Lebensharmonie uns zugemutet wird. Die Gewalt der Sinnlichkeit und die Inbrunst der Erdenflucht, die Standkraft der Selbstbehauptung und die Entsagung der Nächstenliebe, die Sorglosigkeit der Vernichtung und die Marterschaft des Opfers, die Klugheit der Naturbezwingung und die Kindlichkeit des Aufblicks, der Eigensinn der Arbeit und die Selbstvergessenheit der Träumerei, die Herrenkraft der Verantwortung und die Demut des Dienstes, die Vermessenheit des Zweifels und die Einfalt des Glaubens, die Härte der Gerechtigkeit und die Zartheit des Mitleids, der Wille zum Glück und die Sehnsucht zum Leiden, die Dämonie der Leidenschaft und die Stille der Verklärung: Diese Gegengewalten hat eine Gottheit gewoben, so unentwirrbar und so unentrinnbar, daß die Unerfüllbarkeit des Gleichgewichts uns schlechthin als das Sinnbild unerfüllbarer Vollkommenheit erscheint. Die Problematik der menschlichen Kontraste aber wirkt sich aus in der Unvereinbarkeit der objektiven Ideale; kann man im Inneren das Wollen und Dulden nicht vereinen, so lassen sich im

Während hier, bei der Verbildlichung eines Wunders, Rembrandt sich ganz dem freien Fluge seiner Dichterkraft hingab, versuchte er in anderen Fällen, biblische Erzählungen durch die äußerste Natürlichkeit der Darstellung so recht glaubhaft zu veranschaulichen und sich und dem Beschauer menschlich nahe zu legen. Ein Beispiel ist die gleichfalls in ziemlich großem Maßstabe ausgeführte Radierung von 1633: »der barmherzige SamariterDieses Blatt gehört nicht zu den glücklichsten Schöpfungen Rembrandts: namentlich stört uns das sehr hölzern ausgefallene Pferd, von dem der Verwundete herabgehoben wird. Aber die Absicht, das Erzeugnis seiner Einbildungskraft so zu gestalten, als ob er etwas in der Wirklichkeit Gesehenes wiedergäbe, ist dem Meister vortrefflich gelungen; in diesem Sinne ist selbst der häßliche Hund im Vordergrunde nicht ohne Bedeutung; er trägt mit dazu bei, den Anschein zu erwecken, als ob das Ganze sozusagen ein Augenblicksbild nach dem Leben wäre (Abb. 30). Wie Rembrandt, auch von dem allerleisesten Anflug von äußerlichem Idealismus frei, sich die heiligen Gestalten so vorstellte, wie er in der ihn umgebenden Wirklichkeit die Armen und Bedürftigen sah, das zeigt uns recht sprechend die feine kleine Radierung aus demselben Jahre: »die Flucht nach