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Der Mensch ist ein Geschöpf des Gleichgewichts, und niemandem steht es mehr an als dem Deutschen, der über Zeiten und Räume blickt, die höhere Menschheitsstufe zu begreifen. Nicht das Gleichgewicht des Tieres, das den Ansprüchen der eigenen und der umgebenden Natur genügt, wenn es widerspruchlos sich den einfachen Trieben und Wallungen seines Wesens überläßt; sondern das wiedergewonnene schwebende Gleichgewicht, dessen die Kunst das schönste Bild ist, das Gleichgewicht der Wiedergeburt aus den Wirrnissen unauflöslicher Widersprüche. Es ist der Stolz unseres Daseins und der Beweis, daß wir hart an der Grenze des göttlichen und des animalischen Reiches stehen: daß die widerspruchsvollen Bedingungen, denen die Schöpfung uns unterworfen hat, schlechthin unlösbar sind, und daß dennoch die Dichterkraft einer Lebensharmonie uns zugemutet wird. Die Gewalt der Sinnlichkeit und die Inbrunst der Erdenflucht, die Standkraft der Selbstbehauptung und die Entsagung der Nächstenliebe, die Sorglosigkeit der Vernichtung und die Marterschaft des Opfers, die Klugheit der Naturbezwingung und die Kindlichkeit des Aufblicks, der Eigensinn der Arbeit und die Selbstvergessenheit der Träumerei, die Herrenkraft der Verantwortung und die Demut des Dienstes, die Vermessenheit des Zweifels und die Einfalt des Glaubens, die Härte der Gerechtigkeit und die Zartheit des Mitleids, der Wille zum Glück und die Sehnsucht zum Leiden, die Dämonie der Leidenschaft und die Stille der Verklärung: Diese Gegengewalten hat eine Gottheit gewoben, so unentwirrbar und so unentrinnbar, daß die Unerfüllbarkeit des Gleichgewichts uns schlechthin als das Sinnbild unerfüllbarer Vollkommenheit erscheint. Die Problematik der menschlichen Kontraste aber wirkt sich aus in der Unvereinbarkeit der objektiven Ideale; kann man im Inneren das Wollen und Dulden nicht vereinen, so lassen sich im