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Aktualisiert: 9. Juni 2025
,,Oh, das wäre wunderbar", sagte Grünwiesler und legte Immermann die Hand auf die Schulter. So verschwanden sie zwischen den Tannenstämmen. ,,Ich werde das Gedicht auch malen . . . Ein zartes Mägdlein kommt drin vor, einsames Waldesrauschen und ein romantischer Ritter . . . Siehst du das Bild?" ,,Oh, das ist wunderbar." Sie setzten sich ins Moos.
In diesem Hause wohnten einen ganzen Sommer lang der Kunstmaler Franziskus Grünwiesler und sein Freund Oldshatterhand. ,,Dieses Haus gehört niemand", hatte Franziskus Grünwieslers weißbärtiger Onkel gesagt, welcher Bürgermeister des nächsten, drei Wegestunden vom grauen Haus entfernt liegenden Spessartdorfes war. ,,Und es wagt sich auch keiner in die Nähe."
Das Mädchen hatte nichts anzuziehen. ,,Das ist die weichste", sagte Grünwiesler und schleuderte eine Rolle Leinwand auf, die wie Seide glänzte. Abends hatte sie das schnell geschneiderte Kleid aus Rohleinwand schon an.
Oldshatterhand schob die Teekanne Grünwiesler hin. ,,Ich kenn den Immermann schon . . . Der will unter uns der Erste sein . . . Der Hauptmann . . . . Eifersüchtig ist er auf mich, weil du nicht mit ihm bist und ich nicht nach seiner Pfeife tanze . . . Aber dem werd ich's noch zeigen, wer mehr ist. Ich werde der Größte von allen!"
Da blickte Grünwiesler Oldshatterhand fest in die Augen. ,,Wenn du's wissen willst . . . Immermann hat sogar nur Gutes über dich geschrieben . . . Schenk mir noch einen Tee ein!" rief er kameradschaftlich. ,,Den hast du fein gemacht."
Er lächelte Grünwiesler breit an. ,,Ich habe übrigens wieder ein Märchengedicht geschrieben . . . Weißt du, ich glaube, ich bin Romantiker." ,,Sie sind ein gemeiner Dreckkerl!" schrie Oldshatterhand plötzlich. ,,. . . Und mit Ihrer Herzkrankheit scheinen Sie doch nur zu prahlen." Flammend wandte er sich um und schlug allein den Weg nach Würzburg ein.
Grünwiesler sah erschrocken aus. ,,Ich könnte ja hinterher abbitten . . . Ich möchte wissen, woher überhaupt die Tränen kommen. Sie sind plötzlich da, rollen herunter, und immer neue rollen nach . . . Fünf Jahre lang hab ich nicht geweint." Er sah Grünwiesler an, der seinen Kopf schulterwärts geneigt hielt und auf Oldshatterhand blickte, wie ein Kanarienvogel auf das Salatblatt.
,,Meinen Brief hast du bekommen? . . . Wirklich, es freut mich, daß du da bist", sagte er und drehte Oldshatterhand ostentativ den Rücken zu. Grünwiesler sah beglückt auf. Sie sprachen über eine Hühnerstudie, ohne sich um Oldshatterhand zu kümmern, der grußlos fortgehen wollte und sich haßte, weil er stehen blieb.
Franziskus Grünwiesler malte den ganzen Tag. Er war ein zufriedener, bedürfnisloser Mensch. Er half Oldshatterhand über Stimmungsstürze weg, von denen dieser oft und plötzlich heimgesucht wurde, gab ihm unaufdringlich maltechnische Ratschläge und teilte mit Oldshatterhand das Wenige, das er selbst besaß.
Tagelang saß Oldshatterhand fast nur auf dem Bett und dachte. Wollte an seine plötzliche Einsamkeit nicht glauben und führte Gespräche mit Grünwiesler. Bis die Wirtin die Klagezustellung auf den Tisch legte und er den Satz las: In Sachen Franziskus Grünwiesler erhebt die Staatsanwaltschaft von München Klage gegen den Maler Michael Vierkant wegen versuchter Aufforderung zu räuberischer Erpressung.
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