United States or Uruguay ? Vote for the TOP Country of the Week !


Nadia war also dem Bären wieder entgegen getreten und gab mit bewunderungswürdig ruhigem Blute, gerade als jener die gewaltigen Tatzen erhob, um auf sie niederzuschlagen, zum zweiten Male Feuer. Das war jener zweite Schuß, welcher ganz in der Nähe Michael Strogoff’s aufblitzte. Mit einem Satze warf sich dieser zwischen den Bären und das junge Mädchen.

Zweimal des Tages machten sie Halt und ruhten sechs Stunden lang während der Nacht. In einigen Hütten entdeckte Nadia auch noch einiges Schaffleisch, welches hier so gewöhnlich ist, daß ein Pfund desselben nur zwei und eine halbe Kopeke kostet. Aber ganz wider Michael Strogoff’s noch immer genährte Hoffnung fand sich kein Zug- oder Saumthier in der ganzen Umgegend.

Nach und nach besiegte aber der gerade, offene Blick des Mädchens, ihre Zurückhaltung und die geheimnißvolle Sympathie, welche die Gemeinsamkeit des Schmerzes zwischen zwei gleichmäßig Unglücklichen so leicht hervorruft, die stolze, halb abweisende Kälte Marfa Strogoff’s.

In ihr stieg auch der Gedanke auf, daß bei einer Besetzung von Omsk durch die Tartaren Michael Strogoff’s alte Mutter, welche ja in dieser Stadt wohnte, manchen Gefahren ausgesetzt war, die ihren Sohn auf’s schmerzlichste beunruhigen mußten, und daß hierin wohl ein hinreichender Erklärungsgrund zu finden sei für seine Ungeduld, möglichst schnell bei ihr einzutreffen.

Nadia schwieg und vermied auch von diesem Augenblicke ab jedes Gespräch, welches zu der gegenwärtigen eigenthümlichen Lage Michael Strogoff’s irgend Bezug haben konnte. Hier lag ein Geheimniß, gewiß ein wichtiges, vor. Sie achtete es aufrichtig. Am andern Tage, dem 25.

Ein Dolch, den sie bei sich trug, diente ihr, die Fesseln zu durchschneiden, welche Michael Strogoff’s Arme drückten. Bei seiner Blindheit wußte dieser nicht, wer ihn befreite, denn Nadia hatte noch kein Wort gesprochen. Nachher erst flüsterte sie: „Bruder, mein Bruder!

Auf dem Boden hinkriechend, näherte sich Michael Strogoff seinem Pferde, das sich gelagert hatte. Er streichelte es mit der Hand, sprach ihm leise freundlich zu und brachte es geräuschlos wieder auf die Füße. Eben jetzt verlöschten zu Michael Strogoff’s Glück die völlig niedergebrannten Fackeln, und es herrschte, mindestens unter den Gipfeln der Lärchenbäume, die dichteste Finsterniß.

Dann ward es einen Augenblick still, und die Stimme des Henkers, der seine Hand auf Michael Strogoff’s Schulter legte, sprach noch einmal die Worte, deren Wiederholung sie um so unheilvoller klingen ließ: „Sieh’ mit allen Deinen Augen, sieh’ Dich um!“ Diesesmal bemerkte Alcide Jolivet aber, daß der Henker nicht mehr seinen blanken Säbel in der Hand hatte.

Nadia hatte es durchschaut, daß irgend ein wichtiges Geheimniß die Handlungsweise Michael Strogoff’s bestimmte, daß dieser, aus welchem Grunde wußte sie nicht, sich nicht selbst angehörte, nicht das Recht hatte, über seine Person zu verfügen, und daß er unter diesen Umständen sich heroisch seiner Pflicht zum Opfer brachte, selbst gegenüber einer so frechen, tödtlichen Beleidigung.

Nicht ohne einen gewiß berechtigten Stolz begrüßten Michael Strogoff’s und seines Führers Wünsche das wehende Banner. Michael Strogoff kannte die Stadt Omsk natürlich vollständig. Während er scheinbar seinem Führer folgte, wußte er doch geschickt die lebhaftesten Straßen zu vermeiden. Das geschah nicht aus Besorgniß erkannt zu werden.