Vietnam or Thailand ? Vote for the TOP Country of the Week !
Aktualisiert: 24. Juni 2025
»Frau von Glyzcinski?!« Überrascht sah ich auf. »Mister Stratford?« Der rotblonde Hüne, der mich eben begrüßt hatte, nickte erfreut. Wie einen Gruß von Georg, so empfand ich seinen Händedruck; er war sein bester Freund gewesen, seine Schriften, seine Briefe hatten ihn mir wie ein Echo Georgs erscheinen lassen.
Kaum in Berlin angekommen, fand ich die Mitteilung davon in der Presse und die nötigen Kommentare dazu: »Frau von Glyzcinski hat den längst erwarteten Schritt getan, und die Sozialdemokratie kann sich ob dieser ebenso interessanten wie pikanten Aquisition ins Fäustchen lachen« ... so und ähnlich lauteten sie.
»Von Herrn Professor von Glyzcinski ...« Mein Vater hieb mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser klirrten.
Eines Morgens bekam ich einen Brief von Martha Bartels. Schon freute ich mich, ich werde sie wiedergewonnen haben, dachte ich, und erinnerte mich, wie sie mir, der Fremden, einst entgegengekommen war, als ich noch Alix von Glyzcinski hieß. Ich ließ ihren Brief in den Schoß fallen, als ich seine wenigen Zeilen durchflogen hatte, und lehnte mich mit einem Gefühl von Schwindel in den Stuhl zurück.
Toleranz gegen Andersgläubige kann bei denjenigen kaum erwartet werden, die überzeugt sind, daß ihr Glaube der allein selig machende sei; und das größte Glück als Ziel unseres Strebens aufstellen, ist vollends ganz und gar unchristlich.« Glyzcinski lachte: »Sie haben einen hellen Kopf, liebe Freundin, darum lassen Sie mich ihnen noch eins verraten.
Ich versuchte, mich frei zu machen. »Wir haben Ihr Wort, Genossin Glyzcinski,« sagte einer der Führer mit scharfer Betonung. »Wie kann ich diesen Ausgang als einen Sieg verteidigen,« wandte ich ein. »Darüber mögen Sie denken, was Sie wollen,« entgegnete Martha Bartels heftig, »hier haben Sie einfach Ihre Pflicht zu tun, wie wir alle.« Flüchtig fuhr mir durch den Kopf, daß ich aus meiner Welt dem Zwang der Pflicht entflohen war, um meiner Überzeugung zu folgen, aber ich fühlte mich viel zu müde, um jetzt darüber nachzudenken.
»'Solange du meinen Namen trägst' das sagte Ihr Vater?« Glyzcinski wandte den Kopf und sah zum Fenster hinaus, wo die roten und gelben Blätter im Herbststurm tanzten. Es dunkelte schon, eine Mahnung zum Aufbruch. »Ich fürchte mich so « murmelte ich mit neu hervorstürzenden Tränen.
Erschrocken sprang ich auf. »Wie komm' ich nun ins Haus und wie in die Wohnung!« Ich hatte vergessen, mich dem Mädchen anzukündigen. »So bleiben Sie eben hier,« entschied Glyzcinski, »nebenan auf dem Sofa hat mein Bruder oft geschlafen, Friedrich braucht Ihnen nur die Betten aus dem Schrank zu geben.« War das eine stille Nacht!
»Ich werde wieder meine stummen Freunde für mich sprechen lassen!« Und Glyzcinski bezeichnete mir die Bücher und Broschüren, die ich aus seinem Bücherschrank nehmen sollte. »Nur eins möchte ich Ihnen gleich heute sagen: Auf dem Wege wissenschaftlichen Studiums bin ich zu meinen ethischen Überzeugungen gelangt, auf demselben Wege habe ich erkannt, daß die Entwicklung zum Sozialismus eine gesetzmäßige, unabänderliche ist, gleichgültig, ob unser Gefühl sich dagegen sträubt oder nicht.
Als der Morgen graute, schrieb ich ein paar Zeilen an Glyzcinski, und kaum daß der graue Novembertag mit schwerfällig-langsamen Schritten durch die Straßen geschlichen kam, hörte ich den Vater schon wieder in seinem Zimmer auf und nieder gehen. Er rief nach mir, die Angst schnürte mir die Kehle zu, aber ich folgte. Wie entsetzlich sah er aus! In einer einzigen Nacht, wie furchtbar gealtert!
Wort des Tages
Andere suchen