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Es ist ein nur Selbstverständliches, daß ein dermaßen kolossalischer Wille, der Träume so mit Blut und Lebendigkeit erfüllte, der sie so anspannte, bis ihre Erregungen nicht minder stark waren wie die Phänomene der Wirklichkeit, daß ein solch ungeheuer zauberkräftiger Wille in seiner eigenen Magie das Geheimnis des Lebens sah und sich selbst zum Weltgesetz erhob. Eine eigentliche Philosophie konnte der nicht haben, der nichts von sich verriet, vielleicht nichts mehr war als ein Wandelhaftes, der keine Gestalt hatte wie Proteus, weil er alle in sich verkörperte, der wie ein Derwisch, ein flüchtiger Geist, in die Körper von tausend Gestalten unterschlüpfte und sich verlor in den Irrgängen ihres Lebens, jetzt mit dem einen Optimist, jetzt Altruist, jetzt Pessimist und Relativist, der alle Meinungen und Werte in sich ein- und ausschalten konnte wie elektrische Ströme. Er gibt keinem unrecht und gibt keinem recht. Balzac hat immer nur épousé les opinions des autres wir haben kein deutsches Wort für dieses spontane Aufnehmen einer Meinung ohne dauernde Identifizierung , er war eingefangen im Augenblick, in der Brusthöhle seiner Menschen, trieb mit im Schwall ihrer Leidenschaften und Laster. Wahrhaft und unabänderlich mußte ihm nur der ungeheure Wille sein, dieses Zauberwort Sesam, das ihm, dem Fremden, die Felsen vor der unbekannten Menschenbrust aufsprengte, ihn hinabführte in die finsteren Abgründe ihres Gefühls und ihn von dort, beladen mit dem Edelsten ihres Erlebens, wieder aufsteigen ließ. Er mußte mehr als ein anderer geneigt sein, dem Willen eine über das Geistige ins Materielle hinüberwirkende Gewalt zuzuschreiben, ihn als Lebensprinzip und Weltgebot zu empfinden. Ihm war bewußt, daß der Wille, dieses Fluidum, das, ausstrahlend von einem Napoleon, die Welt erschütterte, das Reiche stürzte, Fürsten erhob, Millionen Schicksale verwirrte, daß diese immaterielle Schwingung, dieser reine atmosphärische Druck eines Geistigen nach außen sich auch im Materiellen manifestieren müßte, die Physiognomie modellieren, einströmen in die Physis des ganzen Körpers. Denn so wie eine momentane Erregung bei jedem Menschen den Ausdruck fördert, brutale und selbst stumpfsinnige Züge verschönt und charakterisiert, um wie viel mehr mußte ein andauernder Wille, eine chronische Leidenschaft das Material der Züge herausmeißeln. Ein Gesicht war für Balzac ein versteinerter Lebenswille, eine in Erz gegossene Charakteristik, und so wie der Archäologe aus den versteinerten Resten eine ganze Kultur zu erkennen hat, so schien es ihm Erfordernis des Dichters, aus einem Antlitz und aus der um einen Menschen lagernden Atmosphäre seine innere Kultur zu erkennen. Diese Physiognomik ließ ihn die Lehre Galls lieben, seine Topographie der im Gehirn gelagerten Fähigkeiten, ließ ihn Lavater studieren, der ebenfalls im Gesichte nichts anderes sah als den Fleisch und Bein gewordenen Lebenswillen, den nach außen gestülpten Charakter. Alles, was diese Magie, die geheimnisvolle Wechselwirkung des Innerlichen und