Vietnam or Thailand ? Vote for the TOP Country of the Week !

Aktualisiert: 13. Mai 2025


Wie mancher möchte das folgende für ein Gedicht Whitmans halten, das etwa den Titel »Nacht im Feldlager« führen könnte: Werda! der Schildwache vorm Zelt. Werda! der Infanterieposten. Werda! wenn die Runde kam. Hin- und Wiedergehen der Schildwache. Geklapper des Säbels auf dem Sporn. Bellen der Hunde fern. Knurren der Hunde nahe. Krähen der Hähne. Scharren der Pferde. Schnauben der Pferde.

Es wäre nüchterne Kleinlichkeit, vielleicht auch so etwas wie politische Eifersucht, wollte man dem Dichter einwenden, solcher Standpunkt zeuge doch von gefährlichem, übertriebenem Hochmut. Denn um Whitmans Selbstgefühl, das er von sich und seinem Volke hat, zu verstehen, muß man die Art Politik beiseite lassen; die wohnt etliche Stockwerke tiefer als solche Kulturbetrachtung aus der Höhe der wollenden Dichterphantasie. Whitman hat wiewohl er es nicht gerade so ausdrückt von seinem Volke das Gefühl, daß es ein neuer Beginn ist, frische, aus Völkermischung entstandene Barbaren, die einen Abschnitt in die Geschichte bringen. Man denke daran, wie die Germanen, schon zu den Zeiten des Arminius, der sogar seinen Namen von der römischen gens Arminia genommen hat wie hieß er in Wahrheit? Gewiß nicht Hermann, aber vielleicht Sigfrid?

Das ist der Zusammenhang, in dem die Kameradschaft, der Whitmans schönste und innigste Gedichte gelten, mit all seinen Träumen von neuen Lebens- und Volksgestalten steht. Es ist vergebliches Bemühen modischer Pseudowissenschaft, in diesen Kameradschaftsgefühlen irgend etwas Perverses oder Pathologisches oder gar Degeneriertes finden zu wollen.

Daher, daß sein poetisches Empfinden, sein rhythmisches Verklären und sein Wahrnehmen immer beieinander sind, daher kommt es, daß es nichts in der Welt gibt, was sich unter Whitmans Hand nicht zu Dichterischem wandelt, daß er auch ganz und gar nicht auf die literarisch überlieferte Mustertafel der Gleichnisse angewiesen ist, sondern ihm in einer wahrhaft homerischen Fülle Neues und Ungewohntes zum Bilde wird.

Aber auch mit uralten indischen Gedichten berührt sich Whitman aufs engste, die ja durchaus nicht alle mit dem Gefühl, daß das Ich eine Weltidentität sei, den Pessimismus oder die Weltflucht verbanden; wie man denn in Amerika gleich sagte, diese Gedichte Whitmans seien wie ein Konglomerat aus der »Bhagavad-Gita« und dem »New York Herald«. Das war sehr witzig, aber sehr falsch, denn die »Bhagavad-Gita« enthält das, was man da den »New York Herald« nennt, nämlich die kataloghafte Aufzählung der konkreten Tatsächlichkeiten der ganzen Welt, schon völlig selbst in sich, und die Dinge, die das indische Gedicht aufzählt, um ein Bild von der unendlichen Mannigfaltigkeit zu geben, waren einmal ebenso modern, wie die Welt der Technik, der Natur und Kultur, die Whitman in seine Gedichte aufnimmt.

Die Form Whitmans, die so wenig improvisierte Begeisterungsrede ist, wie ein impressionistisches Bild, das den Eindruck der Augenblicklichkeit schafft, mit ein paar Pinselhieben hingeworfen wird, ist ein streng rhythmisches Gefüge, das aber nur das Gesetz des Tempos anerkennt, im übrigen sich durch keine Traditionen der Poetik binden läßt.

Wort des Tages

hauf

Andere suchen