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Indess die Vernunft behauptete in seinem Kopf die Oberhand, er liess ihn nicht willenlos von der Phantasie beherrschen. Wie wahrscheinlich es sein mochte, fehlte doch der unumstössliche Beweis, dass die Spange ihr angehört habe, und dass sie es gewesen sei, die man in den Armen des jungen Mannes aufgefunden. Diese Erkenntniss verhalf ihm zur Fähigkeit eines befreienden Athemzuges, und als er im Dämmerungsbeginn den ›Diomed‹ erreichte, hatte die langstündige Umherwandrung seiner gesunden Constitution doch auch leibliches Nahrungsbedürfniss eingebracht. Er verzehrte die ziemlich spartanische Abendkost, die der ›Diomed‹ trotz seiner argivischen Abkunft bei sich am Tisch adoptirt hatte, nicht ohne Esslust und nahm dabei zwei im Laufe des Nachmittags neueingetroffene Gäste gewahr. Durch Aussehen und Sprache kennzeichneten sie sich als Deutsche, ein Er und eine Sie; sie hatten beide jugendliche, einnehmende und mit einem geistigen Ausdruck begabte Gesichtszüge; ihr Verhältniss zu einander liess sich nicht entnehmen, doch schloss Norbert nach einer gewissen Aehnlichkeit auf ein Geschwisterpaar. Allerdings unterschied das Haar des jungen Mannes sich durch Blondfarbigkeit von ihrem lichtbraunen; sie trug eine rothe Sorrentiner Rose am Kleid, deren Anblick an etwas im Gedächtniss des aus seiner Stubenecke Hinüberschauenden rührte, ohne dass er sich darauf besinnen konnte, was es sei. Die Beiden waren die ersten ihm auf seiner Reise Begegnenden, von denen er einen sympathischen Eindruck empfing. Sie redeten, bei einem Fiaschetto sitzend, miteinander, weder zu laut vernehmbar, noch in besorglichem Flüsterton, augenscheinlich bald über ernsthafte Dinge und bald über heitere, denn zuweilen ging gleichzeitig um ihre Lippen ein halblachender Zug, der ihnen hübsch stand und Lust zu einer Antheilnahme an ihrer Unterhaltung erweckte. Oder vielleicht bei Norbert hätte erwecken können, wenn er um zwei Tage früher mit ihnen in dem sonst nur von den Anglo-Amerikanern bevölkerten Raum zusammengetroffen wäre. Doch er fühlte, was in seinem Kopf vorging, stehe in einem zu starken Gegensatz zu der fröhlichen Natürlichkeit der Beiden, um die unverkennbar kein leisester Nebel lag und die zweifellos nicht über die Wesensbeschaffenheit einer vor zwei Jahrtausenden Verstorbenen tiefgrundig nachsannen, sondern sich ohne alle Abmühung an einem räthselvollen Problem ihres Lebens in der gegenwärtigen Stunde freuten. Damit stimmte sein Zustand nicht zusammen; er kam sich einerseits höchst überflüssig für sie vor und scheute andrerseits vor dem Versuch, eine Bekanntschaft mit ihnen anzuknüpfen, zurück, da er eine dunkle Empfindung hatte, ihre heiteren, hellen Augen könnten ihm durch die Stirnwandung in seine Gedanken hineinsehen und dabei einen Ausdruck annehmen, als ob sie ihn nicht ganz richtig bei Verstand hielten. So begab er sich zu seinem Zimmer hinauf, stand noch etwas wie gestern, nach dem nächtigen Purpurmantel des Vesuv hinüberblickend, am Fenster und legte sich dann zur Ruhe. Uebermüdet, schlief er auch bald ein und träumte, doch merkwürdig unsinnig. Irgendwo in der Sonne sass die Gradiva, machte aus einem Grashalm eine Schlinge, um eine Eidechse drin zu fangen, und sagte dazu: »Bitte halte dich ganz ruhig die Collegin hat recht, das Mittel ist wirklich gut, und sie hat es mit bestem Erfolg angewendet