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Auf der mit Bäumen bepflanzten Erfurter Landstraße ging es hinaus. Die Landschaft ist von mäßigem Reiz; der langgestreckte Seeberg zur Rechten bildet die einzige größere Erhebung in der ganzen Gegend. An seinen Nordfuß schmiegt sich das Dorf Siebleben, mit Obstbäumen umgeben und von freundlichem Aussehen. Freytags Haus war bald gefunden. Es liegt in einem Garten und ist mit Schiefer bedeckt, der an der Wetterseite einen gelben Anstrich von Oelfarbe hat, was mir auffiel, da ich dergleichen nie gesehen. Vom Gärtner angemeldet, wollte ich eintreten, als er mir schon entgegentrat und mich einfach und freundlich begrüßte. Ich sagte ihm, ich sei auf einer Gebirgswanderung begriffen und habe mir Siebleben ansehen wollen, den Ort, wo er so lange gelebt. Da ich im Gasthof erfahren, daß er anwesend sei, wolle ich mir erlauben, ihm meine Aufwartung zu machen und meine Verehrung zu bezeigen. Er erwiderte freundlich und geleitete mich in sein Arbeitszimmer, welches sehr einfach eingerichtet war. Er hörte mit Interesse zu, als ich von meinen Studien, meinen Verhältnissen und Absichten redete; als ich sagte, daß ein fester Beruf, das Lehramt, dem ich zusteuerte, nicht mein Ideal sei, sondern daß nur die freie literarische Thätigkeit mich zu befriedigen vermöchte, versetzte er ernst: Ein fester Beruf ist notwendig, sowie wissenschaftliche Arbeit auch bei poetischer Produktion. Sie geben einen festen Halt und verschaffen das Selbstbewußtsein.

Bevor ich aber der alten Musenstadt Jena wieder zueilte, beschloß ich, noch einen halben Tag zu verweilen und zu einem Spaziergange nach Siebleben zu benutzen, in welchem der Dichter von Soll und Haben in stiller Muße seine Sommertage zu verbringen pflegte, während er im Winter in Leipzig wohnte.

Wir sprachen über Berlin und Leipzig; das gab ihm Veranlassung, seine Uebersiedelung nach Wiesbaden zu erklären: „Vorigen Winter hatte ich eine Lungenaffektion, daher habe ich mir auf den Rat der Aerzte ein Häuschen in Wiesbaden gekauft, obwohl ungern.“ Das Haus in Siebleben sei historisch, fügte er hinzu, Goethe habe auf seinen Thüringer Reisen oft darin übernachtet.

Auf die Verhältnisse des Dorfes übergehend, zeigte er sich für alles teilnehmend und über vieles orientiert, wie ein Patriarch unter seinen Kindern. Er will dafür sorgen, daß Fremdenzimmer im Gasthofe eingerichtet werden. Einzelne Dorfbewohner charakterisiert er; er kennt viele persönlich, obgleich Siebleben mit seinen 2000 Einwohnern nicht zu den kleinsten Dörfern gehört.