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Für das Leben bedeutet aber Schwere: die Abwesenheit des gegenwärtigen Sinnes, die unauflösbare Befangenheit in sinnlosen Kausalverknüpfungen, das Verkümmern in unfruchtbarer Erdennähe und Himmelsferne, das Beharrenmüssen und Sichnichtbefreienkönnen aus den Fesseln der bloßen brutalen Stofflichkeit, das, was für die besten immanenten Kräfte des Lebens das stete Ziel der Überwindung ist; mit dem Wertbegriff der Form ausgedrückt: Trivialität. Die selig daseiende Totalität des Lebens ist in prästabilierter Harmonie dem epischen Verse zugeordnet: schon der vordichterische Prozeß einer mythologischen Umspannung alles Lebens hat das Sein von jeder trivialen Schwere gereinigt, und in den Versen Homers öffnen sich bloß die zum Aufblühen bereiten Knospen dieses Frühlings. Aber der Vers kann nur den leisen Anstoß zum Aufspringen herbeiführen, nur das aus allen Fesseln Gelöste mit dem Kranze der Freiheit umwinden. Wenn die Tat des Dichters ein Ausgraben des verschütteten Sinnes ist, wenn seine Helden erst ihre Kerker sprengen und ihre erträumte Heimat der ersehnten Freiheit von Erdenschwere erst in schweren Kämpfen erobern oder auf mühseligen Irrfahrten suchen müssen, dann reicht die Macht des Verses nicht aus, um diesen Abstand den Abgrund mit einem Blütenteppich verdeckend zum gangbaren Weg zu verwandeln. Denn die Leichtigkeit der großen Epik ist nur die konkret immanente Utopie der geschichtlichen Stunde, und die formende Entrücktheit, die der Vers allem, was er trägt, verleiht, muß dann der Epik ihre große Subjektslosigkeit und Totalität rauben: sie zur Idylle oder zum lyrischen Spiel verwandeln. Denn die Leichtigkeit der großen Epik ist nur durch ein wirkliches Abwerfen der niederziehenden Fesseln ein Wert und eine wirklichkeitsschaffende Macht. Das Vergessen der Sklaverei in schönen Spielen der freigewordenen Phantasie oder im gefaßten Flüchten auf selige Inseln, unauffindbar auf der Landkarte der Welt der trivialen Gebundenheit, kann niemals zur großen Epik führen. In Zeiten, denen diese Leichtigkeit nicht mehr gegeben ist, ist der Vers aus der großen Epik verbannt, oder er verwandelt sich unversehens und unbeabsichtigt in einen lyrischen. Nur die Prosa kann dann das Leiden und den Lorbeer, den Kampf und die Krönung, den Weg und die Weihe gleich stark umfassen; nur ihre ungebundene Schmiegsamkeit und ihre rhythmenlose Bindung treffen mit gleicher Kraft die Fesseln und die Freiheit, die gegebene Schwere und die erkämpfte Leichtigkeit der vom gefundenen Sinn nunmehr immanent erstrahlenden Welt. Es ist kein Zufall, daß das Zerfallen der liedgewordenen Wirklichkeit in Cervantes' Prosa zur leiderfüllten Leichtigkeit der großen Epik erwuchs, wo der heitere Tanz von Ariostos Vers ein Spiel, eine Lyrik blieb; es ist kein Zufall, daß der Epiker Goethe seine Idylle in Verse goß und für die Totalität des Meisterromans die Prosa erwählte. In der Welt des Abstandes wird jeder epische Vers zur Lyrik die Verse »Don Juans« und »Onegins« gesellen sich den großen Humoristen zu