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Es fesselt und interessiert die dialektische Gewandtheit, die Agilität des Geistes, die sofort in Zahlen und Ziffern herauszubekommen sucht, was sie schon als vorgezeugtes Resultat bereithält und auf die der von Weininger selbst zitierte Kantsche Ausspruch von der »Eitelkeit auf das mathematische Gepränge« recht gut zu passen scheint.

Aber die Sache stimmt nicht, sie verrät sich durch eine rote Spur, die selbst kindlichste Einfalt und gutmütigste Gläubigkeit nicht übersehen kann: Ruckediguck, Blut ist im Schuck! Dieser Fall war der des Dr. Weininger, der jüngst durch Selbstmord seinem Leben ein Ende gemacht hat. Sein Buch »Geschlecht und Charakter« ist eine wahre Encyklopädie der Weiberverachtung.

Wer zum Beispiel unerotische Kollegialität zwischen beiden Geschlechtern befürworte und durchführen könne, habe schon einen starken Einschlag des anderen Geschlechtes in sich und ist, nach Weininger, gar kein »richtiger« Mann, respektive kein richtiges Weib! Mit den Worten »richtig«, »echt«, »absolut«, »an sich« wird in Weiningers sämtlichen Ausführungen ein haarsträubender Mißbrauch getrieben.

Das Hauptmoment aller sozialen Erscheinungen, nämlich das wirtschaftlich-materiell-soziale Moment existiert für Weininger nicht, wird entweder überhaupt nicht erwähnt oder rundweg geleugnet.

Als ebenso »überschätzt« betrachtet wird auch Spinoza. Diese Wertung besser Entwertung zu beurteilen, habe ich zu wenig Wissen. Doch auch da scheint mir ein terroristisches Aufpflanzen von dem, was gerade er, Weininger, Größe nennt, als willkürliches Kriterium zu dominieren.

Sein Biograph teilt uns mit, daß Weininger Epileptiker und gleichzeitig ein mit Verbrecheranlagen belasteter Mensch war. Da aber die Sehnsucht nach dem Guten und Sittlichen ohne Zweifel in ihm überwiegend war, erklärt sich auch seine innige Verherrlichung der Kantschen Ethik, die er hoch über die selbstverständliche Sittlichkeit der schönen Seele stellt.

Beide Gattungen werden von Weininger gleich bewertet, ja die verächtlichere scheint nach seiner Darstellung noch die »Mutter«. Den Nachweis, daß jede Frau in eine seiner Kategorien gehört, macht er sich, wie alle seine auf reale Tatsachen bezüglichen »Beweise«, recht leicht.

Weininger selbst glaubt nicht an Homosexualität durch Verführung oder Gewohnheit, sondern nur durch angeborene Anlage wie er überhaupt überall wurzelhafte Anlagen sieht, wo es sich oft um sichtlich Erworbenes, Erzogenes handelt. Er begründet diesen Unglauben an »Verführung« mit einem wahrhaft unglaublichen Argument nämlich: »Was wäre es dann mit dem ersten Verführer?

Finden sich bedeutende Menschen, werden sie einander wohl zu würdigen wissen, was gerade die Beispiele beweisen, die Weininger zur Unterstützung seiner Anschauung anführt: die Schriftstellerin Daniel Stern war die Geliebte von Franz Liszt, der nach Weininger »etwas Weibliches an sich hatte«, ebenso wie nun kommt in der Tat eine sensationelle Enthüllung wie Wagner! Wagner der Gigant verweiblicht!

Freilich Nietzsche hat ja schon in dem Zeitungslesen der Weiber ihre Vermännlichung und damit die »Verhäßlichung Europas« befürchtet! Übrigens tritt Weininger nicht etwa gegen diese Vermännlichung auf; nur nennt er Vermännlichung schlechtweg alles, was von rechtswegen Vermenschlichung heißen soll und dem Manne zumindest ebenso nottut wie der Frau.