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Ich selber kenne Loßenwerder als einen ordentlichen braven Menschen, und will zu Gott hoffen, daß unser ganzer Verdacht unbegründet ist; das heimliche Schleichen aus dem Haus aber, und daß ihn Niemand sonst im Haus gesehen hat macht ihn verdächtig.
»Loßenwerder,« sagte der Actuar nachdenkend »ist wohl schon eine ganze Weile in Ihrem Geschäft?« »Schon zwölf Jahr; mit keinem Schatten irgend eines Verdachts; ich nahm ihn als einen ganz jungen Burschen in mein Haus; er muß aber gegen irgend Jemand davon gesprochen haben.« »Hm, hm, wollen ihn uns doch einmal nachher besehn; also hier hinein hatten Sie das Geld gelegt?«
»Ich ich weiß nicht gewiß« stammelte das Mädchen verlegen »aber aber Loßenwerder kam bald nachher wie die Herrschaft fortgefahren war « »Wie lange nachher?« frug der Actuar.
»Nun aber auch trinken hier Loßenwerder hier,« riefen sie, ihm das Glas bis zum Rand mit dem schäumenden Trank füllend, »und dann noch ein Lied; bei Gott, das zuckt und prickelt Einem ordentlich durch die Adern, und klingt wie Glockenton so rein und voll; Loßenwerder wo habt Ihr das Singen gelernt?«
»Sie sollen Alles erfahren lieber Ledermann,« sagte Herr Dollinger freundlich »es ist das eine zwar schmerzliche, aber doch eine Pflicht sogar, die ich Ihnen gegenüber, einer alten Sache wegen zu erfüllen habe. Es gilt auch dabei einen armen, unschuldig verfolgten und unglücklich gemachten Menschen zu rechtfertigen.« »Loßenwerder?« rief Herr Ledermann rasch.
»Sehr wohl,« sagte der Actuar, seine Papiere zusammenpackend, und sie dem Gerichtsdiener übergebend; nach kurzer Begrüßung wollte er sich dann eben entfernen, als er noch einmal in der Thür stehen blieb und, sich scharf auf dem Absatz herumdrehend, fragte: »A prospos raucht Loßenwerder?« »Soviel ich weiß nicht,« sagte Herr Dollinger.
Loßenwerder weigerte sich erst ganz verschämt; das aber kam den Anderen zu komisch vor, und mit Lachen und Toben, während ein paar schon Champagner bestellten, den Genuß würdig zu feiern, räusperte sich Loßenwerder plötzlich und stieg, von dem Wein erregt, und jetzt unter dem lauten Jubel der ihn umdrängenden Gäste, auf einen Stuhl.
»Nun Mamsell wie hieß sie? Rieke? Wann haben Sie Loßenwerder aus dem Haus kommen sehn, und ist er ruhig hinausgegangen oder geschlichen?« »Wenn Loßenwerder im Haus war,« sagte Herr Dollinger ruhig, »so wird er auch ordentlich hinausgegangen und nicht geschlichen sein; der wäre der Letzte dem ich so etwas zutrauen möchte.«
Der Actuar überlas indeß flüchtig den Brief, und den Datum mit dem verübten Raub vergleichend sah er, ob Loßenwerder nun schuldig oder unschuldig sei, daß jenes, bei ihm gefundene Geld sein Eigenthum gewesen sein müsse, schon vor dem Tag, und nicht mehr als Beweis gegen ihn gelten konnte.
Loßenwerder war schon seit elf oder zwölf Jahren im Haus, und seinem Aeußern nach eben keine angenehme Persönlichkeit; er hinkte auf dem linken Bein, das er als Kind einmal gebrochen, war überhaupt häßlicher und magerer Natur, und schielte auf dem rechten Auge, wodurch sein sonst gerade nicht unangenehmes Gesicht einen etwas falschen Ausdruck bekam.