United States or Maldives ? Vote for the TOP Country of the Week !


57 Ein junger Edelknecht, in Gangolfs Schloß erzogen Und über seinen Stall gesetzt, Wird itzt zum ersten Mahl betrachtenswerth geschätzt. Er hatte zwar schon lange sich verwogen, Mit schmachtender Begier die Dame anzusehn, Und oft gesucht ihr's mündlich zu gestehn, Doch, da sie stets dem Anlaß ausgebogen, Auch wieder ehrfurchtsvoll zurücke sich gezogen.

47 Allein, es kam; und ach! zu ihrem großen Leide, Ein Übel kam mit ihm auf Gangolfs graues Haupt, Das seiner liebsten Augenweide Den armen Greis auf lebenslang beraubt. Nie wird er wieder sich an ihren Blicken sonnen, Nie wieder sehn dieß reitzende Oval, Wovon zu Engeln und Madonnen So mancher Mahler gern die sanften Züge stahl!

88 Allein, bey meinem Thron, bey diesem Lilienstab, Und bey der furchtbarn Macht, die mir das Reich der Elfen Mit diesem Zepter übergab, Nichts soll ihr ihre List, nichts seine Blindheit helfen! Nein, ungestraft in Oberons Angesicht Sich ihres Hochverraths erfreuen soll sie nicht! Ich will den Staar von Gangolfs Augen schleifen, Und auf der frischen That soll sie sein Blick ergreifen!

90 Doch, ohne sich an ihren Zorn zu kehren, Macht Oberon, was er geschworen, wahr. Berührt von seinem Lilienstabe, klären Sich Gangolfs Augen auf, verschwunden ist der Staar. Erstaunt, entzückt beginnt er auszuschauen, Sieht hin, und schüttelt sich als führ' ein Wespenschwarm Ihm in die Augen, sieht, o Himmel! soll er trauen? Sein treues Röschen, ach! in eines Mannes Arm!

97 Und welcher Mann von zärtlichem Gemüth Verlör' ihn nicht, trotz allen seinen Sinnen, Der Thränengüsse aus so schönen Augen rinnen Und eine solche Brust von Seufzern schwellen sieht? Der Alte kann nicht länger widerstehen: "Gieb dich zufrieden, Kind, ich war zu rasch, zu warm; Verzeih, und komm herab in deines Gangolfs Arm, Es ist nun sonnenklar, ich hatte falsch gesehen!"