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Gegen Mittag weckte ihn Adams Pochen. Ein Brief mit Antwortbitte war da. Sylvester kannte Gabrieles große, eckige Schrift noch nicht, aber mit klopfendem Herzen entfaltete er das Papier. Sie schrieb ihm, daß sie sich für den Nachmittag frei gemacht habe und gern einen Spaziergang mit ihm unternehmen möchte; sie habe auch Frau von Rhynow dazu gebeten, die sei jedoch verhindert.

Während er allein gewesen, hatte Sylvester eine Laute genommen, die an der Wand hing; er hatte sie betrachtet und es wunderbar empfunden, daß in dem Instrument unbekannte Melodien schlummerten, die er nicht hervorlocken konnte; wieviel wunderbarer dünkte ihn jetzt Gabrieles Anblick, dieser atmende Leib, aus dem die Gottheit Töne zauberte, welche die Armut der Menschen in Reichtum und ihre Nüchternheit in Überschwang verwandelten.

So übermächtig war diese Leidenschaft, daß er in geheimnisvoll verbrecherischem Trotz eher den Tod des geliebten Kindes erdenken konnte als den Verlust Gabrieles. Es wurde Schicksal. Sie schrieb ihm: »Wir dürfen uns nicht mehr sehenAm Schlusse stand aber: »Helfen Sie mirDa wußte er genug und küßte sein eigenes Spiegelbild wie ein Narr. Er ging zu ihr.

»Ja, Sie sollten nach London kommenerwiderte sie, ohne ihn anzublicken und wahrscheinlich auch ohne an ihn zu denken, »dort ist das Leben unmittelbarer als irgend sonst in der Welt.« »Was könnte es Ihnen bedeuten, wenn ich käme, einer unter den Millionensagte er lächelnd. Der Unmut, der über Gabrieles Züge flog, zeigte, wie müde sie solcher Redensarten war.

Sylvester kannte ihn vom Sehen, es war der Viscount Darrington, ein Jüngling von zwanzig Jahren mit einem Gesicht und einem Körper wie von Phidias gemeißelt. Sylvester stand unten im Gewühl und beobachtete jede Gebärde Gabrieles.

Seine ganze Existenz war eine Mischung von Torheit, Rausch und Fieber geworden, und wenn er drei Wochen zurückdachte, so dünkte ihn die eigene Person von damals ein fremdes, scheintotes Ding. Es geschah, daß er am Abend nach Twickenham ging, und vor Gabrieles Haus auf und ab wandelte, bis der Morgen anbrach. Gabriele erfuhr es nie.

Mit Anna Ewel, ihrer Zofe, einer Postmeisterstochter aus Gabrieles böhmischem Heimatsdorf, reiste sie umher, an keinem Ort verweilend, von Gasthof zu Gasthof, von Land zu Land, ohne Erregung, ohne sonderliche Neugier, ohne Launen und ohne zu ermüden.

>Angelika, Gräfin von Z.< (so fing der Doktor an) >unerachtet in die Dreißig vorgerückt, stand noch in der vollsten Blüte wunderbarer Schönheit, als der Graf von S., der viel jünger an Jahren, sie hier in *n bei Hofe sah, und sich in ihren Reizen so verfing, daß er zur Stunde die eifrigsten Bewerbungen begann und selbst, als zur Sommerszeit die Gräfin auf die Güter ihres Vaters zurückkehrte, ihr nachreiste, um seine Wünsche, die nach Angelikas Benehmen durchaus nicht hoffnungslos zu sein schienen, dem alten Grafen zu eröffnen. Kaum war Graf S. aber dort angekommen, kaum sah er Angelikas jüngere Schwester Gabriele, als er wie aus einer Bezauberung erwachte. In verblühter Farblosigkeit stand Angelika neben Gabrielen, deren Schönheit und Anmut den Grafen S. unwiderstehlich hinriß, und so kam es, daß er, ohne Angelika weiter zu beachten, um Gabrielens Hand warb, die ihm der alte Graf Z. um so lieber zusagte, als Gabriele gleich die entschiedenste Neigung für den Grafen S. zeigte. Angelika äußerte nicht den mindesten Verdruß über die Untreue ihres Liebhabers. ,Er glaubt mich verlassen zu haben. Der törichte Knabe! er merkt nicht, daß nicht ich, daß er mein Spielzeug war, das ich wegwarf!` So sprach sie in stolzem Hohn, und in der Tat, ihr ganzes Wesen zeigte, daß es wohl Ernst sein mochte mit der Verachtung des Ungetreuen. Übrigens sah man, sobald das Bündnis Gabrielens mit dem Grafen von S. ausgesprochen war, Angelika sehr selten. Sie erschien nicht bei der Tafel und man sagte, sie schweife einsam im nächsten Walde umher, den sie längst zum Ziel ihrer Spaziergänge gewählt hatte. Ein sonderbarer Vorfall störte die einförmige Ruhe, die im Schlosse herrschte. Es begab sich, daß die Jäger des Grafen von Z., unterstützt von den in großer Anzahl aufgebotenen Bauern, endlich eine Zigeunerbande eingefangen hatten, der man die Mordbrennereien und Räubereien, welche seit kurzer Zeit so häufig in der Gegend vorfielen, schuld gab. An eine lange Kette geschlossen brachte man die Männer, gebunden auf einen Wagen gepackt die Weiber und Kinder auf den Schloßhof. Manche trotzige Gestalt, die mit wildem funkelnden Blick, wie ein gefesselter Tiger, keck umherschaute, schien den entschlossenen Räuber und Mörder zu bezeichnen, vorzüglich fiel aber ein langes, hageres, entsetzliches Weib, in einen blutroten Shawl vom Kopf bis zu Fuß gewickelt, ins Auge, die aufrecht im Wagen stand, und mit gebietender Stimme rief. man solle sie herabsteigen lassen, welches auch geschah. Der Graf von Z. kam auf den Schloßhof und befahl eben, wie man die Bande abgesondert in den festen Schloßgefängnissen verteilen solle, als mit fliegenden Haaren, Entsetzen und Angst in bleichem Gesicht, Gräfin Angelika aus der Tür hinausstürzte, und auf die Kniee geworfen mit schneidender Stimme rief. ,Diese Leute los diese Leute los sie sind unschuldig, unschuldig Vater: laß diese Leute los! ein Tropfen Bluts vergossen an einem von diesen und ich stoße mir dieses Messer in die Brust!` Damit schwang die Gräfin ein spiegelblankes Messer in den Lüften und sank ohnmächtig nieder. ,Ei mein schönes Püppchen, mein trautes Goldkind, das wußt ich ja wohl, daß du es nicht leiden würdest!` So meckerte die rote Alte. Dann kauerte sie nieder neben der Gräfin und bedeckte Gesicht und Busen mit ekelhaften Küssen, indem sie fortwährend murmelte: ,Blanke Tochter, blanke Tochter wach auf, wach auf, der Bräutigam kommt hei hei blanker Bräutigam kommt.` Damit nahm die Alte eine Phiole hervor, in der ein kleiner Goldfisch in silberhellem Spiritus auf und ab zu gaukeln schien. Diese Phiole hielt die Alte der Gräfin an das Herz, augenblicklich erwachte sie, aber kaum erblickte sie das Zigeunerweib, als sie aufsprang, das Weib heftig und brünstig umarmte und dann mit ihr davoneilte in das Schloß hinein. Der Graf von Z. Gabriele, ihr Bräutigam, die unterdessen erschienen, schauten ganz erstarrt und von seltsamen Grauen ergriffen, das alles an. Die Zigeuner blieben ganz gleichgültig und ruhig, sie wurden nun abgelöst von der Kette, und einzeln gefesselt in die Schloßgefängnisse geworfen. Am andern Morgen ließ der Graf von Z. die Gemeinde versammeln, die Zigeuner wurden vorgeführt, der Graf erklärte laut, daß sie ganz unschuldig wären an allen Räubereien, die in der Gegend verübt, und daß er ihnen freien Durchzug durch sein Gebiet verstatte, worauf sie entfesselt und zum Erstaunen aller mit Pässen wohl versehen entlassen wurden. Das rote Weib wurde vermißt. Man wollte wissen, daß der Zigeunerhauptmann, kenntlich an den goldnen Ketten um den Hals und dem roten Federbusch an dem spanisch niedergekrempten Hut, nachts auf dem Zimmer des Grafen gewesen. Einige Zeit nachher ward es unbezweifelt dargetan, daß die Zigeuner an dem Rauben und Morden in dem Gebiet umher in der Tat auch nicht den mindesten Anteil hatten. Gabrieles Hochzeit rückte heran, mit Erstaunen bemerkte sie eines Tages, daß mehrere Rüstwagen mit Meublen, Kleidungsstücken, Wäsche, kurz, mit einer ganz vollständigen Hauseinrichtung bepackt wurden und abfuhren. Andern Morgens erfuhr sie, daß Angelika begleitet von dem Kammerdiener des Grafen S. und einer vermummten Frau, die der alten roten Zigeunerin ähnlich gesehen, nachts abgereiset sei. Graf Z. löste das Rätsel, indem er erklärte, daß er sich aus gewissen Ursachen genötiget gesehen, den freilich seltsamen Wünschen Angelikas nachzugeben, und ihr nicht allein das in *n belegne Haus in der Allee als Eigentum zu schenken, sondern auch zu erlauben, daß sie dort einen eignen, ganz unabhängigen Haushalt führe, wobei sie sich bedungen, daß keiner aus der Familie, ihn selbst nicht ausgenommen, ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis das Haus betreten solle. Der Graf von S. fügte hinzu, daß auf Angelikas dringenden Wunsch er seinen Kammerdiener ihr überlassen müssen, der mitgereiset sei nach *n. Die Hochzeit wurde vollzogen, Graf S. ging mit seiner Gemahlin nach D. und ein Jahr verging ihnen in ungetrübter Heiterkeit. Dann fing aber der Graf an auf ganz eigne Weise zu kränkeln. Es war, als wenn ihm ein geheimer Schmerz alle Lebenslust, alle Lebenskraft raube, und vergebens waren alle Bemühungen seiner Gemahlin, das Geheimnis ihm zu entreißen, das sein Innerstes verderblich zu verstören schien. Als endlich tiefe Ohnmachten seinen Zustand lebensgefährlich machten, gab er den

Auch in Gabrieles Augen war Angst; der gespenstische Kopf erschien ihr wie eine Drohung; sie empfand ihre Jugend, ihre Macht, ihre Freiheit als Güter, die sie nur geraubt; sie erinnerte sich dieses Gesichts, sie hatte es irgendwo gesehen, und während sie nachdachte, klang ihre Stimme reiner, rührender und flehender.

Er rief, die Brandung übertönte seine Stimme; er eilte ins Schloß zurück, suchte sie in der Kapelle und in vielen Zimmern, und es war ihm, als ob sie jeden Raum, den er betrat, kurz zuvor verlassen hätte. Dennoch hatte er beständig das Gefühl, daß sie ihn erwartete. Da wurde es Nacht. Alles schlief im Hause. Sylvester ging durch die langen, finstern Korridore und öffnete Gabrieles Schlafgemach.